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Gesellschaft & Religion Was ist heute eigentlich Luxus?

Früher das schnelle Auto oder die Designertasche, heute Zeit und Gesundheit: Unsere Vorstellungen von Luxus haben sich in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Warum das so ist und wie Luxus gegen die Gleichheitsphilosophie antritt, erklärt der Soziologieprofessor Michael Jäckel.

Michael Jäckel, Sie sind Professor für Konsumforschung an der Universität Trier. Zu Ihrem Forschungsgebiet gehört auch der Luxus. Was ist eigentlich Luxus?

Im Alltag würden wir sagen: alles, was über das normale Mass hinausgeht. Damit ist der Begriff jedoch in der heutigen Zeit nicht hinreichend erfasst. Luxus meint in erster Linie die Verwendung qualitativ hochwertiger Güter. Der Streit darüber, ob es Luxus ist oder Verschwendung, orientiert sich sehr oft an der Frage des Preises für das, was man bekommt.

Es geht also um käufliche Objekte. Was macht denn ein Objekt zu einem Luxus?

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What is Luxury? Mit dieser Frage beschäftigt sich auch das Victoria and Albert Museum in London. Das Museum hat Designerinnen und Designer eingeladen, mit ihren Arbeiten über Luxus nachzudenken. Die Ausstellung analysiert den Luxusbegriff, klammert auch die dunkle Seite nicht aus und trägt die Diskussion in die Zukunft. Noch bis 27. September 2015.

Das ist häufig eine Frage der Betrachtung und des Vergleichs. Aus der Perspektive eines Käufers, der sich solche Produkte auch leisten kann, hat zum Beispiel die Präzision eines Produktes – sei es ein Automobil, sei es eine Uhr, sei es ein Möbel – einen besonderen Wert. Das Produkt erfährt somit auch eine besondere Wertschätzung. Für jemand, der sich solche Produkte nicht leisten kann, wird sowas sehr schnell als Verschwendung eingeordnet.

Luxus liegt somit im Auge des Betrachters. Man muss Luxus als solchen erkennen und schätzen können. Wer möchte eigentlich Luxus?

Das ist eine gute Frage. Zugleich müsste man jedoch zurückfragen: Gibt es in unserer Gesellschaft etwas, das in deutlicherer Form gegen jeden Versuch des Gleichmachens oder der Gleichheitsphilosophie antritt wie das Phänomen des Luxus? Luxus steht für mich für das Bedürfnis, eine Unterscheidung, eine Differenz zu setzen. Dieses Bedürfnis ist in vielen Gesellschaften sehr ausgeprägt. Es führt dazu, dass Luxus – aber auch andere Konsumbereiche – Konkurrenzfelder darstellen, in denen man zeigen möchte, dass man sich etwas Ungewöhnliches, ja Aussergewöhnliches leisten kann.

Luxus definiert sich in unserer westlichen Gesellschaft sein einiger Zeit neu. Er bewegt sich weg vom Materiellen zu etwas Immateriellem: Zeit, Gesundheit, Sicherheit, sind Schlagworte. Es sind Sehnsüchte einer Gesellschaft nach Gütern, an der sie offenbar Mangel hat. Was ist da in der Gesellschaft passiert?

Die östliche Welt beeinflusst – etwas pauschal gesagt – das westliche Denken. Wir sind fasziniert von bestimmten Lebensphilosophien und verändern unser Verhältnis zum eigenen Körper, zur Gesundheit. Die westliche Welt wird immer noch mehrheitlich als eine wahrgenommen, die darauf aus ist, ihren Reichtum zu demonstrieren. Nur das was sichtbar ist, zählt: ein grosses Haus, ein teurer Wagen, und so weiter. Es bestimmt den Rang einer Person in einer gesellschaftlichen Hierarchie. Mittlerweile hat sich diese Art des Denkens in der Mittelschicht geändert. Immaterielle Werte, die ein Wohlbefinden vermitteln, werden stärker geschätzt. Sie widerspiegeln letztlich eine Unabhängigkeit von den Zwängen der Moderne.

Als Luxus bezeichnet man auch ein Gut, von dem es nur wenige gibt. In unserer Leistungsgesellschaft ist Zeit ein solch rares Gut. Stuft man Zeit deswegen als Luxus ein?

Genau, das ist ein sehr interessantes Phänomen. Hier hat sich die Bedeutung der Zeit verändert. Wir kehren zu einer Bedeutung zurück, die früher einmal typisch war. Zeit galt als Privileg einer müssigen Klasse. In den 1970er-Jahren hat sich das verändert: Wer nun Zeit hatte, machte sich verdächtig. Denn Zeitknappheit wurde in der Leistungsgesellschaft zum Statussymbol. Heute merkt man, dass dies der Lebensqualität abträglich ist. Man sucht nach neuen Modellen des Ausgleichs. Das erklärt das verstärkte Bedürfnis nach immateriellen Dingen, wenn man über Luxus als Phänomen spricht.

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