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Gesellschaft & Religion Wohin des Weges, «NZZ»?

Markus Somm wird nicht Chefredaktor der «NZZ». Diese Nachricht beruhigt Kritiker, die einen Rechtskurs der Zeitung befürchten. Warum wollte der Verwaltungsrat überhaupt einen Ideologen wie Somm? Medienwissenschaftler Walter Rüegg über die Ausrichtung und mögliche Neu-Ausrichtung der «NZZ».

Willy Bretscher, Hugo Bütler oder Markus Spillmann: So hiessen die letzten Chef-Redaktoren der «NZZ». Alle waren glänzende, pointierte Journalisten. Sie waren ideologisch der FDP nahe, aber sie eckten nie an. Warum wollte der «NZZ»-Verwaltungsrat eine so provokative Person wie Markus Somm als neuen Chefredaktor?

Walter Rüegg: Ich glaube, dass die früheren Chefredaktoren durchaus aneckten. Und zwar weil sie sehr pointiert waren. Herr Spillman eckt weniger an. Aber wir leben heute auch in einer viel schwieriger zu beurteilenden weltpolitischen Situation. Heute sind so einfache Stellungnahmen, wie zur Zeit von Bretscher, Luchsinger und so weiter, nicht mehr gut möglich.

Was hat Markus Somm, was die «NZZ» aus der Sicht des Verwaltungsrats braucht?

Walter Rüegg

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Legende: Keystone

Walter Rüegg ist ehemaliger Radio-Direktor der SRG und ist heute Dozent für Medienwissenschaften an der Uni Basel. Er hat die journalistische Tätigkeit von Markus Somm in den letzten Jahren intensiv verfolgt.

Er ist ein brillanter Schreiber. Er ist ein gescheiter Mensch. Er ist ein toller Debattierer. Aber er ist auch ein Ideologe. Da frag ich mich, ob die «NZZ» wirklich gut beraten ist, wenn sie jemanden verpflichten will, der zwar journalistisch sehr qualifiziert ist, aber eine ziemlich deutliche konservative Grundüberzeugung hat, die nicht ganz zur «NZZ» passt.

Denn die «NZZ» ist ja eigentlich freisinnig. Und freisinnig bedeutet zukunftsgerichtet und gesellschaftspolitisch offen orientiert. Das ist Markus Somm nicht. Aber wahrscheinlich denkt die «NZZ», dass sie jemanden haben muss, der profilierter ist. Der die Leser zurückbringt, die die NZZ verlassen haben oder es tun werden. Ich glaube, das wäre eine Fehleinschätzung.

Warum hat sich der Verwaltungsrat dennoch auf eine Person wie Markus Somm eingelassen? Sie haben von Profilierung gesprochen. Aber die eigentliche Währung ist ja heute der Klick.

Die Währung Klick ist nicht die Währung an der Falkenstrasse. Zu Recht. Es hat keinen Sinn, dass man den Leuten nach dem Mund schreibt. Und dass man auf Klicks abzielt und sagt: Was Klicks generiert, ist auch wichtig und relevant. Der «NZZ»-Verwaltungsrat ist gut beraten, wenn er jemanden sucht, der sich nicht primär um Klicks und um Zustimmung schert, sondern um Relevanz.

Wie findet die «NZZ» einen Ausweg?

Video
NZZ, quo vadis?
Aus 10 vor 10 vom 15.12.2014.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 26 Sekunden.

Zum einen muss sie ihre Organisationsstruktur klären. Denn der Chefredaktor ist heute dem Verwaltungsrat unterstellt und nicht dem CEO. Das ist nicht zweckmässig, weil der Verwaltungsrat eigentlich keine Zeit hat, um einen Chefredaktor zu küren. Der CEO muss beim Chefredaktor vorbeigehen und nachfragen, damit er orientiert ist. Das funktioniert nicht. Das ist eine typische alte «NZZ»-Konstruktion, die sich heute nicht mehr bewährt. Zum anderen muss ein vorbildlicher Journalist her, der bereit ist, einen tiefgründigen, hintergrundsorientierten, relevanten Journalismus zu bieten. Einen Qualitätsjournalismus, den die «NZZ» schon lange für sich reklamiert und den sie weiterhin behalten und pflegen muss.

Dafür stand Markus Spillmann eigentlich auch ein. Wer könnte denn nun in seine Fussstapfen treten?

Der Blick müsste sich zuerst mal in die «NZZ»-Redaktion selbst richten. Denn normalerweise ist in einer solchen Redaktion auch Nachwuchs da, der – wenn man ihn gefördert hat – auch in der Lage ist Chef oder Chefin zu werden. Bald wird es ein Triumvirat geben, dass die «NZZ» leiten soll.

Es gibt auch Chefredaktoren innerhalb der «NZZ»-Gruppe, die durchaus das Zeug hätten, die «NZZ» zu führen. Ich denke, man müsste zuerst mal intern schauen. Ich könnt mir vorstellen, dass es in einer solchen Redaktion wichtig ist, dass eine gewisse Kontinuität besteht. Dass der Chef auch akzeptiert wird, nicht nur von oben sondern auch von unten. Dann wären die Chancen besser, als wenn man irgendjemanden «einfliegen» lässt.

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