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«Darf ich bitten?» (mit Marianne und Walter Kaiser, 1960)
Aus Kultur Extras vom 03.12.2016.
abspielen. Laufzeit 41 Minuten 18 Sekunden.
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Tanzen im TV «Darf ich bitten?» – Kaisers kultiger Tanzkurs

1960 sendet das Schweizer Fernsehen Tanzkurse. Absolutes Highlight des Jahres: eine Sendung mit Marianne und Walter Kaiser. Die werden später Weltmeister und sie haben Generationen von Tanzschülern ausgebildet. Was ist davon heute übriggeblieben?

«Darf ich bitten?»

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Von Walzer über Rock ’n‘ Roll bis hin zu Hip-Hop: SRF lässt das Publikum in die Welt des Tanzens eintauchen und nimmt es mit auf eine Zeitreise. «Darf ich bitten?» Die ganze Show gibt's hier online.

«Darf ich bitten?», heisst die Sendung, sie wird schlicht Kult. In einer Zeit, als Tanzkurse die erste Annäherung ans andere Geschlecht sind. Backfische und Buben mit schwitzigen Händen. Die Tanzlehrer aus der Sendung werden später weltberühmt werden: Walter und Marianne Kaiser.

1965 werden sie in London Weltmeister in den lateinamerikanischen Tänzen. Die «Schweizer Illustrierte» titelt damals: «Ein ‹lateinamerikanisches› Kaiserpaar – mitten in der Schweiz.»

Kaisers werden zum bewunderten Aushängeschild des Paartanzes. Der TV-Tanzkurs schafft Publicity und gibt dem Paartanz in der Schweiz einen gehörigen Schub. Die Schweiz tanzt.

Die Kaisers unterrichten aber nicht nur am TV. Sie unterhalten seit 1959 eine Tanzschule, «in die ging man, es gehörte zum guten Ton, dahinzugehen, um beim Maturaball tanzen zu können.»

Das sagt einer ihrer Schüler. Der ist heute Präsident des Schweizer Tanzlehrerverbandes: Titus Capaul. Damals sitzt man – nach Geschlechtern getrennt – in zwei Stuhlreihen. Und schwitzt schon mal ein bisschen vor Aufregung.

Und heute?

Titus Capaul

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Titus Capaul ist Präsident von «Swissdance». Das ist der Verband der Schweizerischen Tanzlehrer. Er unterrichtet als Tanzlehrer – auch zuhause. In seiner Amtszeit wurde der Beruf des Tanzlehrers mit Eidgenössischem Fachausweis anerkannt.

Walter Kaiser habe den Saal betreten und gesagt: «Darf ich die Herren bitten, zu engagieren.» «Wer da zu lange zögert, hat das Nachsehen», sagt Capaul. Er habe anfänglich auch zu lange gezögert, aber schnell gelernt.

Titus Capaul präsidiert heute den gesamtschweizerischen Verband mit mehr als 300 Tanzlehrern. Fragt man ihn, was sich in all der Zeit verändert hat, dann springt eines besonders ins Auge: «Vor 30 Jahren war das Verhältnis zwischen Paaren und Singles fifty-fifty. Heute haben wir 99 Prozent Paare. Die meisten haben sich vorher schon verabredet.»

Die Generation Youtube heiratet

Die Wünsche der Paare, die zu Capaul kommen, sind manchmal spezieller als zu Kaisers Zeiten. Hochzeitspaare kommen gerne. Die haben sich auf Youtube schon mal schlau gemacht, die wollen dann die Musik aus dem einen Video, die Schritte aus einem anderen und dann noch die Pose aus einem dritten: «Die wollen eine eigene Choreographie.»

Manche sind so eingebunden, dass sie es nicht mehr in die Tanzschule schaffen. Zu denen geht Capaul heim. Ein Paar hat schon ein kleines Kind, die Hochzeit wird «nachgeschoben». Zuhause wird der Hochzeitstanz geübt. Mittendrin beginnt das Kind zu schreien. Die Mutter geht hin. Capaul übt mit dem Mann.

Tanzstunde zuhause und ein brüllendes Kind

Das Kind brüllt weiter. Mutter und Vater tauschen die Rollen. Capaul übt mit der Frau. Ihr reicht es irgendwann. Sie sagt: «So, jetzt will ich richtig», drückt Capaul den schreienden Säugling in den Arm und tanzt mit ihrem Zukünftigen.

Vieles ist moderner. Aber «oldfashioned» bleibt doch weiter im Angebot: «Ich unterrichte doch ein bisschen Knigge. Der Herr fordert auf, lächelt, streckt die Hand. Die Dame geht zum Herren hin. Der Herr führt. Die Dame lässt sich führen. Und Führen heisst «mit ein paar Gramm, nicht mit Gewalt».

Natürlich geht die Dame rechts: «Wegen der Zeiten, als die Ritter die Dame noch mit dem links getragenen Säbel beschützten.» Redet man mit Capaul, dann ist da noch immer der Stil aus einer anderen Zeit präsent, modern adaptiert.

Wenn die Kinder dann aus dem Haus sind

Archivperlen

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Das Archiv von SRF ist ein fulminanter Fundus, ein audiovisuelles Gedächtnis, in Schwarz-weiss oder Farbe, analog oder digital. Wichtiges und Unwichtiges, Überholtes und allzeit Gültiges, Alltag und grosse Weltgeschichte.

Im Player von SRF sind eine Vielzahl von «Perlen», die Ihnen online zugänglich sind sowie im Archivkanal auf Youtube.

Manche Paare kommen zum ersten Mal, andere kommen seit 20 Jahren und wieder andere kommen nach 20 Jahren wieder. Wenn die Kinder aus dem Haus sind. Wenn man wieder mehr Zeit hat für einander. Da sei er manchmal auch so etwas wie ein Paartherapeut.

Capaul sagt, sein erstes Ziel sei es, dass die Leute «fröhlicher und aufgestellter von dannen ziehen, als sie ankamen. Erst mein zweites Ziel ist, dass die Leute tanzen lernen.»

Eine Frau habe einmal gesagt: «Weisst du, nachdem wir bei dir waren, streiten wir einen Monat lang nicht. Tanzen sei wie ein «neues Miteinander». Und das ist nicht immer einfach. Es gibt Paare, die die gemeinsame Sprache verlernt haben.

Eine Frau sei einmal mitten aus der Stunde rausgerannt. Alle hätten geschaut. Capaul habe zum Mann gesagt: «Renn' ihr nach.» Manchmal gehe er auch mit beiden vor die Tür. Wogen glätten. Was man nicht alles macht als Tanzlehrer.

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