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Kunst «Die Kunst ist feige geworden»

Er war erfolgreich wie kaum ein anderer Museumsmanager. Seine Ausstellungen zogen Publikum in Scharen an. Martin Roth stand als erster Deutscher an der Spitze eines britischen Topmuseums. Sein überraschender Abgang ist ein politischer Aufschrei.

Der Schock sass für viele tief: Brexit wurde im Juni dieses Jahres zur Realität. Das Volk entschied, dass das Vereinigte Königreich die EU verlassen wird. Für Martin Roth war es Anlass, den umgekehrten Weg zu gehen.

Fünf Jahre lang stand er als Direktor dem Victoria & Albert Museums in London vor. Er wollte die Entscheidung nicht abwarten, was mit ihm als Ausländer nach dem Brexit passieren könnte. Er packte seine Koffer und verliess London Ende Oktober. Mit seinem Abgang setzte er ein Zeichen. Ein Zeichen, das Aufmerksamkeit erregte.

Klare Haltung ist gefragt

Die Medien berichten über ihn. Vor den Mikrofonen erläutert er seine Beweggründe und vertritt öffentlich seine persönliche, politische Meinung.

Martin Roth fordert alle Kulturschaffenden auf, zum aktuellen Geschehen persönlich Stellung zu nehmen. «Heute reicht es nicht mehr, sich hinter brisanten Theaterstücken oder einem historisch relevanten Archiv zu verstecken.» Nur wer sich in der Öffentlichkeit mit einer klaren Haltung zu politischen Themen äussere, nehme seine Verantwortung wahr.

Martin Roth

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Roth begann seine Karriere als Direktor des Deutschen Hygiene-Museums in Dresden (1991–2000). Von 2001 bis 2011 fungierte er als Direktor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Anschliessend war er während fünf Jahren Direktor des Victoria and Albert Museums in London. Ab Mitte 2017 wird dem Institut für Auslandbeziehungen in Stuttgart vorstehen.

Aktion ist die beste Verteidigung

Die Kultur habe zwar unendlich viele Debatten in Gang gesetzt. Ausstellungen in Museen hätten immer wieder wichtige Themen aufgegriffen. Dennoch kritisiert Martin Roth beispielsweise den Hype um die Contemporary Art. In der Kunstszene werde nichts Aussagekräftiges mehr verhandelt, sie habe sich eher aus wichtigen Themen davongeschlichen: «Ich würde der Kultur, vor allem der Kunst vorwerfen, dass wir feige geworden sind.»

In Deutschland sieht Martin Roth die offene Gesellschaft bedroht durch Gruppierungen wie die Pegida (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes). Deren Anhänger demonstrieren gegen Ausländer und verbreiten nationalistische Ideen. Das will Martin Roth nicht stumm hinnehmen. Die erkämpften Freiheiten und Werte unserer Gesellschaft gelte es zu verteidigen, sagt er.

«Es ist 10 vor 12»

Für ihn ist es «5 vor 12 oder vielleicht noch 10 vor 12», was die politische Lage in Europa angeht. Martin Roth wünscht sich Menschen mit Rückgrat, die Haltung zeigen und Farbe bekennen. Das zumindest hat er getan mit seinem Rücktritt als Museumsdirektor in London. Der Brexit war für ihn Anlass, persönliche Konsequenzen zu ziehen und lautstark zu sagen: «So will ich nicht weitermachen.»

Martin Roths nächste berufliche Schritte sind noch ziemlich unklar. Fest steht aber: Er will in der Öffentlichkeit hinstehen und sagen, was er denkt.

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