Kunsthaus Zürich - Kehrt die Bührle-Stiftung Zürich bald den Rücken?
Die Bührle-Stiftung hat ihren Stiftungszweck angepasst, damit muss die Sammlung nicht mehr zwingend in Zürich ausgestellt werden. Das sind die Folgen des Entscheids.
Worum geht’s? Die Bührle-Stiftung, zu der die kontrovers diskutierte Bührle-Sammlung im Kunsthaus Zürich gehört, hat im Handelsregister ihren Stiftungsauftrag geändert: Bis jetzt hat es dort geheissen: Zweck der Stiftung sei es, die Bilder der Sammlung als Ganzes der Stadt Zürich zu erhalten und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Neu fehlt der Hinweis «der Stadt Zürich». Gemäss ihrem Zweck ist die Stiftung nun nicht mehr an die Limmatstadt gebunden und könnte ihre Bilder auch woanders zugänglich machen. Die «NZZ» berichtete am Donnerstag als erste über die kleine, aber möglicherweise folgenreiche Änderung.
Darum geht es bei der Bührle-Kontroverse
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Seit 2021 zeigt das Kunsthaus Zürich Bilder der Bührle-Sammlung als Leihgaben. Die Werke sind wertvoll, aber auch umstritten, denn Emil Bührle verdiente als Waffenproduzent ein Vermögen, unter anderem durch Geschäfte mit dem NS-Regime. Einige Werke musste er nach dem Krieg als Raubkunst zurückgeben. Fachleute vermuten in der Sammlung bis heute Bilder, die jüdischen Sammlern zurückgegeben werden sollten.
Die Eröffnung und die erste Ausstellung 2021 waren allerdings ein Fiasko. Die Bührle-Ausstellung vermittele zu wenig zeithistorischen Kontext, beschönige Bührles Rolle sowie die Umstände von Flucht und NS-Verfolgung, hiess es damals.
Kritische Stimmen fordern Überarbeitung
Zudem waren die Herkunftsgeschichten der Bilder nicht unabhängig untersucht worden. Die Provenienzen erforschte die Bührle-Stiftung selbst und kam wenig überraschend zum Schluss, dass alles unproblematisch sei.
Kritische Stimmen sowie die Historikerinnen und Historiker der «Bergier»-Kommission (unabhängige Experten-Kommission Schweiz Zweiter Weltkrieg) forderten darauf die Überarbeitung der Ausstellung, die unabhängige Erforschung der Bührle-Bilder und eine unabhängige Kommission, die über strittige Fälle berät beziehungsweise entscheidet, ob Bilder Erben jüdischer Sammlerinnen zurückgegeben werden müssen.
Kommt dieser Schritt überraschend? Es gab in der Vergangenheit immer mal wieder Drohungen, die Bührle-Sammlung könnte Zürich perspektivisch verlassen. Diese wurden meist nicht besonders ernst genommen. Dass jetzt der Stiftungszweck angepasst wurde und damit – zumindest theoretisch – der Grundstein für die Abwanderung der Sammlung gelegt wurde, kommt aber dennoch unerwartet.
Wie erklärt sich der Stiftungsrat? In einer kurzen Stellungnahme schreibt der Stiftungsrat auf Anfrage, dass die Änderung «schon länger diskutiert und verabschiedet» worden sei. «Die Bereinigung stellt keinen Entscheid über die weitere Zukunft der Sammlung dar», heisst es. «Stiftungsratsmitglied Victor Schmid hat zudem versichert, dass dieser Schritt nichts mit der Diskussion um die Herkunft der Bilder zu tun habe», erklärt SRF-Regionalredaktor Christoph Brunner,
Findet die Bührle-Kontroverse ein Ende?
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Neue Leitung, neue Lösung?
2022 trat Anne Demeester als neue Kunsthaus Direktorin ihr Amt an, Philipp Hildebrand übernahm das Präsidium im Trägerverein des Museums der Zürcher Kunstgesellschaft. Beide kündigten an, die Kontroverse um die Bührle-Bilder lösen zu wollen. Rasch verabschiedete das Museum eine neue Strategie für Provenienzforschung und überarbeitete die stark kritisierte erste Ausstellung der Bührle-Bilder.
Im Herbst 2023 wurde die zweite Präsentation der Bührle-Bilder eröffnet. Die Ausstellung kontextualisiert Emil Bührle als Sammler und Mäzen des Kunsthauses und liefert viele verschiedenen Perspektiven auf die kontrovers diskutierten Bilder. Eine eigene Position blieb das Kunsthaus aber schuldig.
Neue Prüfung der Herkunft
Der wissenschaftliche Beirat, der diese Ausstellung begleiten sollte, ist vor der Eröffnung geschlossen zurückgetreten. Hauptstreitpunkt war die inhaltliche Ausrichtung der Ausstellung und die fehlende Berücksichtigung der Perspektive von Opfern des NS-Regimes.
Seit Mai 2023 werden die Provenienzen der Bilder, die die Bührle-Stiftung bereits selbst erforscht hat, durch den Schweizer Historiker Raphael Gross überprüft. Gross ist Präsident des Deutschen Historischen Museums in Berlin und Mitglied in der «beratenden Kommission», die in Deutschland für strittige Raubkunst Fälle Lösungen empfiehlt.
Hat der Entscheid kurzfristig Einfluss auf die in Zürich ausgestellten Werke? Nein. Auf den bestehenden Leihvertrag mit der Zürcher Kunstgesellschaft habe die Änderung keinen Einfluss, schreibt der Stiftungsrat. Dieser besagt, dass die Sammlung im Kunsthaus zu sehen ist. Der Vertrag zwischen dem Kunsthaus und der Bührle-Stiftung läuft Ende 2034 regulär aus.
Was passiert ab 2034? «Es ist völlig unklar, was danach passiert», erklärt Redaktor Brunner. In etwa fünf Jahren, also 2030, würde der neue Dauervertrag für die Zeit nach 2034 mit der Bührle-Stiftung verhandelt. Spätestens dann muss sie die Karten auf den Tisch legen. «Trotz der aktuellen Beschwichtigungen, hätte der Stiftungsrat mit dem neuen Stiftungszweck zumindest die Möglichkeit, Zürich zu verlassen», resümiert Brunner.
Wie reagiert das Kunsthaus Zürich? Zumindest vordergründig reagiert das Haus entspannt, sagt Christoph Brunner. Das Kunsthaus schreibt, es könne zu den langfristigen Folgen des neuen Stiftungszweckes nichts sagen.
Und was sagt die Stadt Zürich? Stadtpräsidentin Corine Mauch zeigt sich auf Anfrage überrascht, dass die Bürgerstiftung die Stadt Zürich aus ihrem Stiftungszweck gestrichen hat.