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Literatur «In jedem meiner Romane wird irgendwem irgendwas amputiert»

Die Brenner-Krimis von Wolf Haas sind skurril und sprachlich unverkennbar. Mit «Brennerova» hat der Österreicher bereits den achten Teil der Serie geschrieben. Der Autor erzählt, warum sein Ermittler heiratet und warum er selbst abgehackte Hände und Sätze mag.

War die Idee, dass Brenner heiratet, die Grundidee dieses Buchs?

Wolf Haas: Dass er heiratet, war für mich undenkbar. Die Initialzündung war aber eine andere. Ich wollte meinen Computer endlich einmal aufräumen und hab die ganzen alten Dateien, Überreste und auch die Original-Manuskripte meiner früheren Bücher in einen Ordner geschmissen. Den Ordner hab ich Brennerova genannt. Im Moment des Abschieds von dem ganzen Brenner-Zeugs und ohne jede Absicht, was zu schreiben, lese ich den Namen des Ordners und denke: Verdammt, das wär ein guter Titel für einen neuen Brenner-Roman.

Die Brenner-Krimis

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Der Privatdetektiv Simon Brenner hat bereits in acht Krimis von Wolf Haas ermittelt. Die Brenner-Romane «Komm, süsser Tod» und «Silentium!», für die Haas den Deutschen Krimipreis gewann, sowie «Der Knochenmann» wurden bereits verfilmt. «Das ewige Leben» soll 2015 in die Kinos kommen.

Mussten Sie die Figur verändern? Mussten sie ihr andere Charakteristika geben, dass sie plötzlich heiratet? Mit Frauen hat Brenner ja nicht viel zu tun.

Ja, ausser in Nebensätzen, wo andauernd jemand erwähnt wird aus früheren Tagen. Wenn man die alle zusammenrechnen würde, würden mehr Frauen zusammen kommen, als Österreich Einwohner hat. Aber die haben natürlich keine Rolle in den Büchern gespielt.

Mein Tabubruch war jedoch am Anfang ein anderer. Ich hab grosse Probleme damit gehabt, den Brenner mit einem Handy auszustatten. Die Wirklichkeit überrollt einen ja beim Schreiben einer Serie. In meinem zweiten Brenner-Roman habe ich mich noch über einen Typen lustig gemacht und ihn als Angeber bezeichnet, weil er ein Handy hatte. So schnell entwickelt sich die Zeit. Das Handy hat überhaupt das Krimi-Schreiben extrem verändert, weil man nicht mehr behaupten kann, dass irgendwer irgendwo ist und ihm eine entscheidende Information fehlt, weil wir durch das Handy andauernd alles wissen und erreichbar sind. Aber irgendwann musste der Brenner ein Handy bekommen.

Video
Wolf Haas, der Mann mit der unstillbaren Fabulierlust
Aus Kulturplatz vom 05.12.2012.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 19 Sekunden.

Dass Brenner einen Computer benutzt, ist eigentlich auch ein Ding der Unmöglichkeit. Aber es ist auch lächerlich zu behaupten, dass er keinen hat. Da habe ich die Flucht nach vorne ergriffen und mir gedacht: Wenn er schon am Computer sitzt, dann muss es so eine Art Dating-Plattform sein. Dann ist es wieder «brennermässig». Dadurch gerät er dann in die amourösen Verwicklungen.

So richtig ein Brenner wird’s für mich bei der Szene mit den Händen: Hände werden abgehackt und dann werden sie wieder angenäht – aber falsch. Eine Frau merkt das anhand der kyrillischen Schrift. Wieviel Spass macht es, solche Szenen zu erfinden?

Komischerweise wird in jedem meiner Romane irgendwem irgendwas amputiert. Der Brenner hat auch schon verschiedene Körperteile verloren, die ihm wieder angenäht wurden. Es geht also auch immer wieder gut aus. Aber meine Bücher sind nicht blutrünstig, nicht grausam. Es ist eine Gewalt, wie man sie aus Zeichentrickfilmen kennt. Eine überdrehte Gewalt. Man hat das Gefühl, dass die Katze plattgewalzt wird, aber danach gleich wieder aufsteht.

Diese Absurdität ist auch das Komische, oder?

Mir ging’s ja vor allem um diesen Satz, den der Mensch tätowiert hat, der eben durch das Abhacken amputiert wurde. Bei mir werden ja die Sätze auch immer amputiert. Es fehlen oft Verben und Satzteile. Das wär am Anfang das Auffälligste an meinen Büchern. Diese Analogie hat mir gefallen, dass sich jemand etwas auf den Körper schreibt. Auch so einen sauberen Satz kann man also zerstören.

Warum diese Sprache? Warum diese Konstruktionen?

Ich mach das nicht absichtlich. Ich hab auch überhaupt keinen Ehrgeiz, etwas Raffiniertes zu machen. Ich höre es auch nicht, wenn ich für das Raffinement gelobt werde, weil ich – das glaubt mir zwar kein Mensch – ganz einfache Bücher schreiben möchte. Ich find sie auch einfach. Die Leute, die ähnlich ticken wie ich und die meine Bücher mögen, empfinden sie auch als einfach. Aber man muss bei den ersten fünf Seiten durch, weil man in den Rhythmus kommen muss. Früher, als ich in Österreich schon richtig bekannt war, habe ich in Deutschland immer wieder gehört: Ah, jetzt versteh ich erst, wie es gemeint ist, wenn es vorgelesen wird. Der Rhythmus und die Direktheit wirken nur am Anfang so sperrig.

Es ist ja im Prinzip eine gesprochene Kunstsprache.

Das war für mich von Anfang an das Wichtigste. Ich bin mit Dialekt aufgewachsen und deshalb wären Bücher für mich immer schwer zu erobern. Ich hatte immer das Gefühl, dass sie in einer halben Fremdsprache geschrieben sind. Es geht mir manchmal heute noch so. Ich wundere mich manchmal, warum Dinge, die man so frisch und normal sagen kann, in Büchern so erstarren.

Sie lesen am 29. Oktober und 29. Dezember im Kaufleuten in Zürich. Ihr Lesungen sind immer voll. Wie ist das für Sie, wenn Sie auf der Bühne stehen und ihrem Texte einem grossen Publikum vorlesen?

Buchhinweis

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Wolf Haas: «Brennerova», Hoffmann und Campe, 2014.

Die Kritik zum Buch gibt's hier zu lesen.

Mir macht das einen Riesenspass. Ich bin als Student selber ganz gerne in Lesungen gegangen. In Salzburg, wo ich studiert habe. Da waren immer so drei bis fünf Leute im Publikum. Und es ist natürlich schön, dass man das Gefühl hat, kein Pflichtprogramm zu sein. Und nicht ein Autor ist, der als Lesestoff dazugehört, damit man sich als Mitglied der Bildungsschicht fühlt. Es ist schön, wenn einen die Leute wirklich hören wollen. Und die Brenner-Bücher sind auch sehr einfach vorzulesen. Denn wo es was zu lachen gibt, ist es für den Vorleser angenehmer und die Einschlafgefahr ist nicht ganz so gross.

Es gibt ja diesen Satz: Ein Buch, das mehr als 500 Mal verkauft wird, kann kein gutes Buch sein. Eine Lesung, die voll ist, ist suspekt. Ist das eine merkwürdige Haltung der deutschen Literaturszene?

Ich habe nach dem Studium zwei Jahre in England gelebt. Dort interessierte es meine Uni-Kollege zuerst, ob ein Buch lustig ist oder nicht. «It’s a good laugh», höre ich noch sagen. Es besteht eine andere Haltung der Literatur gegenüber. Bei uns ist es immer noch ein wenig disqualifizierend, wenn es mit Humor verbunden ist. Was für mich gut ist, denn dadurch ist es leichter aufzufallen.

Haben Sie Vorbilder?

Den österreichischen Lyriker Ernst Jandel. Der machte extrem gute Lesungen. Er hat es sogar als Lyriker geschafft, Hallen zu füllen. Ich glaub man muss sein Publikum packen wollen.

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