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Musik Boris Blank verwertet Reste vom Feinsten

Er wollte entrümpeln und stiess auf einen Schatz: Boris Blank fand in alten Kisten nie veröffentlichte Musikstücke. Weggeworfen hat er sie zum Glück nicht: Boris Blanks neues Album «Electrified» erscheint am 28. November 2014. Die Geschichte eines Albums, dem die alte Technik fast ein Bein stellte.

Kisten voller alter, nie veröffentlichter Musikstücke blieben übrig, als Boris Blank vor rund einem Jahr sein altes, bis unter die Decke vollgestelltes Studio entrümpelte. Zu schade zum Wegwerfen, befand er, und zeigte das Material einem alten Freund, dem britischen Produzenten Ian Tregoning. Der war begeistert vom musikalischen Schatz und überredete den scheuen Blank, daraus einen Sampler zu machen.

Idee testen durch Crowdfunding

Eine exklusive Luxus-Edition sollte es werden. Bestehend aus drei Langspielplatten, CDs, einer DVD mit Videoclips und – als Clou – einer Musikkassette. Die limitierte Auflage von 1500 Stück sollte rund 150 Schweizer Franken kosten.

Um zu testen, ob die Idee ankommt, suchten Ian Tregoning und Boris Blank via Crowdfunding nach Sponsoren. Innert 4 Wochen hatten sie die erforderlichen 50‘000 Pfund zusammen. Nun konnte produziert werden. Doch leider waren viele der alten Tonbandgeräte inzwischen verschenkt, verkauft oder verschrottet.

Video
Boris Blank «Electrified» (Pre-Listening)
Aus Kultur Extras vom 21.11.2014.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 19 Sekunden.

Einige Tonbänder waren zudem nicht mehr abspielbar, da sich die Oberfläche zersetzt hatte. Doch es gab Rettung. «Ein englischer Chemiker hatte herausgefunden, dass man, wenn man die Bänder circa eine Woche lang bei 40 Grad Celsius backt, das Material noch genau einmal abspielen, digitalisieren und so retten kann», erzählt Blank.

In den Powerplaystudios in Maur (ZH) kannte man diese Methode. Hierher kommen auch Prince und Lady Gaga, wenn sie spezielle Wünsche haben. Ursli Weber, lang gedienter Toningenieur bei Powerplay weiss, dass der Klang der alten analogen Geräte bei den jungen Musikern wieder sehr gefragt ist. Auch wenn Boris Blank niemand ist, der in Nostalgie schwelgt. Mit seinen Tontüfteleien ist er immer am Puls der Zeit.

Erinnerungen an die Rote Fabrik

Als Boris Blank dann, gemeinsam mit Ursli Weber, die zum Teil fast 40 Jahre alten Stücke in dem alten, liebevoll restaurierten Tonstudio anhört, kommen Erinnerungen auf: an lange Proben in der Roten Fabrik, wo er damals sein Studio hatte. An Punkkonzerte, die nebenan liefen und ihn nervten. An den damaligen Yello-Gitarristen Chico Hablas, mit dem er ewig an den Stücken schraubte. Und der am Ende, leicht genervt, den Take zig Mal für den Perfektionisten Boris Blank wiederholte.

Der Erfolg der alten Musikreste

60 Stücke der fast vergessenen Stücke spielte Blank für die Luxusplatte ein. «Electrified», veröffentlicht im Frühjahr 2014, wurde umgehend vom renommierten Magazin «Record Collector» zum besten Album des Monats gewählt.

Der Musikkritiker Jean-Martin Büttner verglich das Album kürzlich sogar mit dem neuen Album von Pink Floyd, die seiner Meinung nach «Tapetenmusik» produziert hätten. Boris Blank sei, so Büttner, «ein elektronischer Lyriker, ein Atmosphäriker, der aus Bildern Töne macht und dabei Musik komponiert, die ihrerseits Bilder evoziert.» Besser kann man es kaum auf den Punkt bringen.

Für zwölf Stücke des Samplers hat Boris Blank selber Bilder beziehungsweise Videoclips produziert. Besonders gelungen: «Big City Grill», auf dem er seine Musik mit der auf zwei Minuten verkürzten Version eines alten Experimentalfilms seines Yello-Buddies Dieter Meier gemixt hat. Beim dem halbstündigen Film flüchteten damals alle aus dem Kino. Heute trifft der Musikclip exakt den Zeitgeist.

Der Luxus Sampler wird zum Album

Und irgendwann kam Universal, die Plattenfirma und wollte aus dem Sammelalbum eine abgespeckte Version machen. Das Album «Electrified» erscheint nun am 28. November. Es enthält 40 Stücke, teilweise aus «Vor-Yello-Zeiten», teilweise Yello-Produktionen, die es nicht auf die Alben schafften, und auch neuere Lieder.

Boris Blank freut sich darüber. Doch er ist weit davon entfernt, deswegen zum Nostalgiker zu werden. Für ihn ist die Herstellung seiner Musik das Wichtigste. Genau das hört man seinen genauen, dichten Sounds an.

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