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Musik Der Urknall des Schweizer Pop

Wo nahm die Popkultur in der Schweiz ihren Anfang? Die Ausstellung «Oh Yeah» im Berner Museum für Kommunikation ergründet, wen die Musikrevolution als erstes erfasste und wie dies die Nation nachhaltig veränderte. Und findet dabei überraschende Antworten.

Staubsauger, Fernseher und Kühlschränke – was braucht man mehr? Die Wirtschaft der Nachkriegszeit brummt. Ganz Europa glaubt an eine neue prosperierende Zukunft. Doch irgendwas fehlt. Das Radio spielt Schlager, Instrumentals und Walzer. Aber nicht zu laut, denn das Radiohören bei offenem Fenster ist polizeilich verboten.

Audio
Musikredaktor Claudio Landolt über die Ausstellung «Oh Yeah»
aus Kultur kompakt vom 12.11.2014.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 33 Sekunden.

Dann kommt der Urknall der Popmusik: Elvis Presley singt 1954 «That’s Allright Mama» und zündet damit den Funken zu einem neuen Musikgefühl namens Pop, das sich wie in ein Lauffeuer mittels Jukebox, Magazinen und Konzerten verbreitet.

Die Ausstellung «Oh Yeah» zeigt eindrücklich die Schweizer Perspektive auf dieses globale Phänomen. Erfahrbar hauptsächlich über die eigenen Ohren: Der Schweizer Radiopionier FM Mürner führt als Erzählerstimme durch 60 Jahre Musikgeschichte.

Aloha aus Basel

Die in den Kriegsjahren populäre Kombination von amerikanischem Swing und heimeligen Dialektliedern ziehen in den 50ern nicht mehr. Eine Entdeckung der Ausstellung sind die zaghaften musikalischen Anfänge der Schweizer Popmusik.

Brief an die Honolulu-Girls
Legende: Eines der vielen Originalstücke der Ausstellung: Ein Brief an die «Honolulu Girls». ZVG

In den frühen Zeiten des Konsumrausches schleicht sich bei der Schweizer Jugend in der Mitte des letzten Jahrhunderts das Fernweh ein. Die musikalische Antwort darauf: Hawaii-Bands. Die Basler Bands Hula Hawaiians und Tahiti Hawaiians spielen Instrumental-Rockstücke. Zu dieser Zeit formiert sich auch Honolulu Girls, die erste Girlgroup der Schweiz. In der Westschweiz zündet der Funken von Elvis zuerst: Der frühe Rocker Gabriel Dalar feiert sogar in Frankreich Erfolge. Hunderte Bands werden gegründet. Eine enthusiastische Bewegung, die erst von den Beatles verdrängt wird. Auch in der Deutschschweiz verliert das Land langsam die musikalische Unschuld. Halbstarke, Beatbands und Teufelsgitarren erobern die Konzertlokale. So auch die Band Hellfire bei einem Konzert an der Zürcher Langstrasse. Ein Fernsehteam ist vor Ort. Der verdutzte Reporter fragt: Weshalb müssen hier auch alle kreischen? Bald hat jedes Dorf seinen John Lennon.

Generation Pop

Ausstellungshinweis

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Das Museum für Kommunikation zeigt vom 14. November 2014 bis 19. Juli 2015 die Ausstellung Oh Yeah! Popmusik in der Schweiz.

Mitte der 60er-Jahre werden die Kleider bunt und der musikalische Horizont breiter. Die Ausstellung im Berner Museum für Kommunikation hat hier gesellschaftliche Bezüge herausgearbeitet: der Einfluss der Beatles, der Hippies oder auch, wie ein Konzert von Jimi Hendrix im Zürcher Hallenstadion zum Vorspiel der Schweizer 68er-Unruhen wurde. Aus dem Psychedelic Rock und Progrock treten Krokus und andere Heavy Metal Bands ins Rampenlicht. Gleichzeitig öffnen Rumpelstilz und später Züri West dem Mundart-Pop endlich Tür und Tor.

Im Nährboden der 80er erkämpft sich die Punkszene ihren Freiraum. Bald entsteht eine neue Radiolandschaft, die sich ans jüngere Publikum richtet und so den Grundstein für neue lokale Bands schafft. Von der Gründung des Fernsehsenders MTV profitieren jedoch vor allem internationale Bands. Doch mit dem Elektropop-Duo Yello gehört auch eine Schweizer Band zur prägenden Figuren der Musikvideo-Kultur. Stellvertretend für die 90er-Jahre dröhnen Techno, Hip-Hop, Eurodance und DJ Bobo durch die Ausstellungskopfhörer.

Musikalische Sehnsüchte

In einem separaten Raum wird der Besucher zur Schweizer Musik von heute geführt: Gemäss dem digitalen Zeitgeist zeigen die Ausstellungsmacher Sam Mumenthaler und Kurt Stadelmann keine Objekte mehr. Vielmehr läuft eine visuelle Bilderflut von 42 Musikvideos auf drei grossen Projektionsflächen. Wenn der Besucher jedoch lange genug davor verweilt, entdeckt er dieses Fernweh wieder, das die Schweizer in den 50er-Jahren zur Popmusik gebracht hat. Die Reggae-Beats von «Phenomden» bringen die heimischen Sehnsüchte des Fremden noch immer so rüber, wie es damals wohl die Basler Hawaii-Gitarren getan haben.

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