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Provokative Popmusik Mit Sex gegen Sexismus: Peaches' schrilles Plädoyer

Mit derber Musik und expliziten Auftritten hält die Musikerin Peaches der sexistischen Musikwelt einen Spiegel vor.

Wer einmal Peaches' Show erlebt hat, wird sie so schnell nicht vergessen. Da tanzen Plüsch-Vaginas im Gleichschritt mit einer Vielzahl von umgehängten Brüsten. Ein Gesamtkunsterlebnis, das das Publikum weltweit zur Ekstase treibt, wie ihr Besuch in Bern kürzlich bestätigte.

Audio
Peaches – 15 Jahre Provokation
aus Sounds! vom 02.10.2015.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 41 Sekunden.

Keine Lippenbekenntnisse

Als die bisexuelle Kanadierin Peaches – mit bürgerlichem Namen Merrill Beth Nisker – mit ihrem derben Electro-Sound Anfang des Jahrtausends auf die Bühnen trat, wurde sie schräg angeschaut, offen abgelehnt.

«Damals war ich ein schräger Vogel», sagt sie im Gespräch «Viele kapierten nicht, was diese Frau, die da alleine auf der Bühne über Sexualität spricht, eigentlich will. Heute werde ich als wichtig angesehen.»

Viele kapierten nicht, was diese Frau, die da alleine auf der Bühne über Sexualität spricht, eigentlich will.
Autor: Peaches Musikerin

Der Kampf dauert an

Tatsächlich ist die Akzeptanz weiblicher Ausdrucksmöglichkeiten deutlich grösser geworden, seit der Mainstream eine Figur wie Lady Gaga hochgespült und gefeiert hat. Das heisst nun aber nicht, dass Peaches ihre Sache milder angeht.

Peaches mit Brustkostüm.
Legende: Protest in übersexualisiertem Gewand: Peaches, ein Gesamtkunstwerk. Keystone

«Es ist ein andauernder Kampf. Als ich die neue Platte aufnahm, wurde ich gefragt, ob wir denn heute nicht in einer viel fortschrittlicheren Zeit leben würden. Ich aber sehe so viel Fortschritt wie Rückschritt, es entwickelt sich exponentiell in jede Richtung.»

«Schwingt die Schwänze!»

So wird Sexualität in der Öffentlichkeit zwar offen dargestellt, gleichzeitig nimmt aber die Bevormundung durch die Gesellschaft wieder zu. Und auch um das Frauenbild im Musikbusiness steht es nicht zum Besten.

Auch heute noch macht eine Frau eher Karriere, wenn sie dem Männerbild von Attraktivität entspricht: verführerisch, aber ja nicht fordernd. Peaches ist die komplette Antithese dazu.

Da muss einer vielleicht zuerst mal leer schlucken, wenn sie ihr Publikum auffordert, die «Schwänze zu schwingen». Dabei ist «Dick in the Air» vom aktuellen Album «Rub» bloss die spielerische Umkehrung dessen, was Frauen auf den Rockbühnen seit Jahrzehnten widerfährt, wenn Männer platt «Titten raus» rufen.

Jetzt wechseln wir die Stellung, bloss keine Hemmungen.
Autor: Peaches Musikerin

Peaches geht aber in ihrem Song mit viel Humor ran: «Wir haben seit jeher unsere Titten geschüttelt, jetzt wechseln wir die Stellung, bloss keine Hemmungen. Schwänze in die Höhe».

Lustige Verpackung, ernstes Anliegen

Immer karrikiert sie damit auch Stereotypen der Popkultur, so etwa die Fixierung in Hip-Hop und R’n‘B auf den grossen Hintern und das Schwenken desselben, Twerken genannt. Bei Peaches geht es denn um ihre «grosse Muschi» und die «grossen Lippen», mit denen sie gesegnet sei.

Albumhinweis

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Peaches: «Rub», 2015, I U She Music

So sieht ihre Vorstellung von Gleichberechtigung aus, sie will Männer dazu animieren, den eigenen Teil daran zu übernehmen. Und auf der Bühne geht sie mit vollem Körpereinsatz voran, mal mit entblössten Brüsten, mal im Sado-Maso-Austausch mit ihrem männlich-weiblichen Tänzerduo.

«Das Übertreiben gehört dazu. Das ist mein gutes Recht und macht den Spass und die Kunst letztlich aus. Ich geniesse das mehr denn je.»

Das Übertreiben gehört dazu. Das ist mein gutes Recht.
Autor: Peaches Musikerin

Den Körper feiern

Es geht Peaches aber nicht nur um freie Sexualität. Ihr Anliegen ist ein viel essentielleres: alle sollen sich so zeigen dürfen, wie sie eigentlich sind, wie auch immer der Körper beschaffen ist. Ein Anliegen, dass zum Politikum wird, in einer Zeit, in der der Jugend- und Schlankheitswahn grassiert.

Peaches, selbst vor einem Monat 50 geworden, richtet eine Botschaft an ihr junges Publikum: «Sie werden einmal so alt sein wie ich, besser sie finden sich schon heute damit ab, dass es in Ordnung ist, so zu sein.»

Sendung: SRF 2, Kulturplatz, 21.12.2016, 22.25 Uhr

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