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Abrakadabra und Urinproben: Klostermedizin im Mittelalter

Eine Ausstellung in St. Gallen widmet sich Klöstern, Nonnen und Mönchen, die in der Medizin im Mittelalter eine wichtige Rolle gespielt hatten. Ihre Praktiken reichten von Ernährungstipps bis Zaubermittel – da kam es auch vor, dass bei einem Mann eine Schwangerschaft festgestellt wurde.

  • Die Behandlung von Kranken wurde in der Antike innerhalb der Familie geregelt.
  • Im Mittelalter wird die Krankenpflege zur Aufgabe jedes einzelnen. Besonders Nonnen und Mönche spielen eine wichtige Rolle in der Medizin.
  • Heilpraktiken reichen von Urinproben bis Ernährungstipps. Jedoch nicht alle sind rational: Das Wort «Abrakadabra» galt beispielsweise als Mittel gegen Malaria.

Im Archiv der weltbekannten St. Galler Stiftsbibliothek liegt er: der St. Galler Klosterplan. Er beweist, dass die Klosterbewohner bereits im Mittelalter in der Medizin mitgemischt haben.

Ein Teil des Planes zeigt das, was wir heute als Spitalanlage bezeichnen würden. Neben einer Kapelle für die Kranken sind eine Küche, ein Bad, ein Heilkräutergarten, ein Aderlass-, ein Kranken- sowie ein Ärztehaus mit einer Apotheke aufgezeichnet.

Das ist kein Zufall – Klöster, Nonnen und Mönche spielen in der Medizin des Mittelalters eine wichtige Rolle, insbesondere in der Pflege. In der Antike wird die Behandlung von Kranken noch innerhalb der Familie geregelt.

Doch mit dem Christentum und seinen Evangelien sowie der Geschichte des barmherzigen Samariters ändert sich das: Die Krankenpflege wird zur Aufgabe jedes einzelnen. Ob man mit der kranken Person verwandt ist, oder nicht, rückt in den Hintergrund.

Aderlass- oder Venenmännchen mit Anweisungen, welches Blutgefäss bei welchen Beschwerden zu öffnen ist. Deutscher Kalender. Gedruckt in Augsburg von Hans Schobser, 1488.
Legende: Aderlass- oder Venenmännchen mit Anweisungen, welche Ader bei welchen Beschwerden zu öffnen ist (aus dem Jahr 1488). Stiftsbibliothek St.Gallen

Benediktsregel zur Krankenpflege

Diese Aufgabenzuweisung wird 529 in die sogenannte Benediktsregel aufgenommen, verfasst von Benedikt von Nursia. In Kapitel 36 hält Benedikt fest: «Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen.»

Dieser Regel folgend lässt Otmar, Gründer und erster St. Galler Klosterabt, im 8. Jahrhundert das erste Krankenhaus der Schweiz errichten. Die Leprakranken, die in einem Gebäude ausserhalb des Klosters gepflegt werden, behandelt Abt Otmar selbst.

Ein Herzog ist schwanger

Eine andere, sehr wichtige Figur in der frühmittelalterlichen Klostermedizin ist der St. Galler Mönch Notker. Notker der Arzt kennt sich nicht nur ausserordentlich gut mit Arzneien und Gegengiften aus. Er ist auch einer, der misstrauischen Patienten gerne mal ein Schnippchen schlägt.

Eine Handschrift aus der St. Galler Stiftsbibliothek gibt eine Anekdote wieder, in der Notker einen Herzog behandeln soll. Als Test jubelt ihm der Herzog den Urin seiner jungen und gesunden Zofe unter.

Ausstellungshinweis

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Die Ausstellung «Abracadabra – Medizin im Mittelalter» findet noch bis zum 6. November 2016 im Barocksaal der Stiftsbibliothek St. Gallen statt.

Dort befindet sich auch ein Bild des Klosterplans und der darauf gezeichneten Spitalanlage.

Darauf verkündet Notker vor versammelter Gesellschaft, der Herzog werde – welch Wunder! – in Kürze einen Sohn zur Welt bringen. Dass die Zofe des Herzogs tatsächlich schwanger und der Herzog peinlich berührt ist, tut Notkers Reputation wohl keinen Abbruch, im Gegenteil.

Ernährungstipps von Hildegard von Bingen

Notker ist jedoch nicht der einzige, der als Klostermediziner in die Geschichte eingeht. Gut 200 Jahre nach ihm wirkt Hildegard von Bingen, eine der berühmtesten medizinisch bewanderten Nonnen.

Sie verfasst nicht nur ein umfangreiches Werk mit naturkundlich-medizinischem Inhalt, sondern verweist bereits im 12. Jahrhundert auf die Wichtigkeit gesunder Ernährung: Regelmässiges Fasten, viel Dinkel und wenig Fleisch, lautet ihr Ratschlag.

Stiftsbibliothek St.Gallen
Legende: Die 719 gegründete Stiftsbibliothek St. Gallen gehört zu den bedeutendsten historischen Bibliotheken der Welt. Stiftsbibliothek St.Gallen

Magische Medizin

Obwohl es im Mittelalter durchaus Therapien gegen manche Krankheiten gibt, sind die medizinischen Fähigkeiten und Kenntnisse gering. Dementsprechend sind nicht alle Heilpraktiken der damaligen Zeit so rational wie es Ernährungstipps oder Urinproben sind.

Im Frühmittelalter beispielsweise gilt das Wort «Abrakadabra» als nützliches Mittel gegen Malaria. Elf Mal untereinander soll das Wort aufgeschrieben werden, mit je einem Buchstaben weniger pro Zeile, so dass zum Schluss nur noch ein «A» übrig bleibt.

Dieses Schriftstück müsse man sich laut «Rezept» als Amulett um den Hals hängen. Denn auf diese Weise, so die Hoffnung, verschwinde mit jedem fehlenden Buchstaben auch ein Teil der Krankheit aus dem Körper.

Zaubermittel und Heilungswunder als letzte Hoffnung

Um den Heilungsprozess zu beschleunigen, greift man gerne auf solch magische Praktiken zurück. Diese stellen oft die letzte Hoffnung für Kranke dar.

Magie und Medizin schliessen sich in der damaligen Zeit keineswegs aus, sie ergänzen sich vielmehr und sind teilweise sogar eng mit der Religion verknüpft. Insbesondere Heilungswunder sind seit den in der Bibel festgehaltenen Heilungen von Blinden und Gelähmten durch Jesus und die Apostel stark in der christlichen Religion verwurzelt.

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