Der PhysikerJames Wootton von der Universität Basel ist einer von vielen Wissenschaftlern, die rund um die Welt an einem neuartigen Computer tüfteln. Statt die Eigenschaften von Elektronen nützt der Computer der Zukunft Quanteneffekte aus, daher der Name Quantencomputer. Die neue Maschine soll eines Tages die elektronischen Rechner ablösen oder wenigstens ergänzen.
Quantencomputer sind nämlich den Elektronenrechnern in bestimmten Dingen überlegen, etwa bei Berechnungen in der Quantenphysik. Die Maschinen haben diese Prinzipien ja praktisch verinnerlicht, erklärt James Wootton. Von diesem schnellen Rechner könnten Physiker, aber auch Chemikerinnen und Biologen in Zukunft enorm profitieren.
Schnell aber anfällig für Fehler
Ein Problem dabei: Der neuartige Computer arbeitet nur unter Extrembedingungen. Man muss ihn praktisch auf den absoluten Nullpunkt herunterkühlen (weniger als minus 273 Grad Celsius) und vom Erdmagnetfeld abschirmen.
Die neue Rechenmaschine ist deshalb viel anfälliger für Störungen, die zu Fehlern und zu falschen Berechnungen führen, als die herkömmlichen elektronischen Computer. Um solche Fehler zu beheben, braucht es spezielle Software.
An solchen Korrektur-Programmen arbeitet James Wootton. Er sucht nach neuen Strategien, wie man die Fehler erkennen und beheben könnte. Dabei geht er jetzt einen ganz neuen Weg: Er setzt auf die Kreativität der Massen.
Inspiration aus einem Game
Damit möglichst viele Menschen an einer Lösung mitdenken können, ohne dass sie sich zuvor mit Quanten-Physik beschäftigen müssen, hat der Brite das Game Decodoku entwickelt. Ihn interessieren die erfolgreichen Strategien, auf welche die Gamer beim Spielen stossen.
Um diese zu motivieren, hat er einen Preis ausgeschrieben: 300 Franken bekommt die beste Spielerin, der beste Spieler. Wer bereit ist, dem Wissenschaftler seine Strategie zu verraten, wird mit 100 Franken belohnt. Da die App keine Daten an die Macher schickt, muss man James Wootton und sein Team per E-Mail oder über einen Fragebogen kontaktieren.
Quantenphysik als Kinderspiel
Ein paar Spieler haben sich auf diesem Weg gemeldet. «Wir haben schon einige interessante Lösungsansätze bekommen» sagt der theoretische Physiker. Doch er hofft noch auf mehr und will motivieren: «Spielt Decodoku, es macht Spass und hilft gleichzeitig der Wissenschaft.»
Mitmachen kann praktisch jeder und jede, physikalisch Vorkenntnisse braucht es keine. Seine Tochter spiele, seit sie drei Jahre alt sei, erzählt der Wissenschaftler. Er musste lediglich die Oberfläche des Spieles etwas anpassen, weil die Dreijährige noch nicht so geschickt war.
Vom Decodoku-Fieber hat sich auch SRF-Digital-Redaktorin Martina Gassner anstecken lassen. Unten beschreibt sie ihre Strategien zur Lösung des Rätsels.
Ich glaub', ich hab's!
Auf den ersten Blick sieht Decoduko ein wenig wie Sudoku aus: Auf einem Spielfeld von 7 mal 7 Zellen erscheinen Ziffern von 1 bis 9. Die Herausforderung besteht darin, Zahlengruppen zu erkennen, die addiert jeweils ein Vielfaches von 10 ergeben. Diese gilt es dann vom Spielfeld zu räumen.
Alle fünf Runden erscheinen wieder neue Ziffern. Entweder sind es völlig neue Zahlen oder bereits bestehende zerlegen sich und breiten sich aus. Gelingt es einer Gruppe, sich von einem Rand des Brettes bis zum anderen auszudehnen, ist das Spiel verloren.
Will man möglichst lange überleben, muss man sich eine Strategie zurechtzulegen, wie man mit den Gruppen umgehen will.
Nachdem sich meine ersten Strategien als falsch erwiesen haben, bin ich auf dem Decodoku-Blog gelandet. Dort versucht mir der Kopf hinter Decodoku, die Quantenphysik mit einfachen Worten näher zu bringen. Leider bei mir bloss mit dem Effekt, dass ich daran zu zweifeln beginne, die Materie jemals auch nur annähernd verstehen zu können und bei der Lösung der Probleme zu helfen...
Doch weil das Rätselfieber mich gepackt hat, bin ich irgendwann zwischen 1 und 2 Uhr morgens plötzlich doch noch auf eine Erkenntnis gestossen. Die mag erst einmal furchtbar kompliziert klingen – doch keine Angst, alles was es dazu an Mathematik-Kenntnissen braucht, ist die Fähigkeit, Zahlen zwischen 1 und 9 zusammenzählen zu können.
Die Bildergalerie unten zeigt meine Strategie:
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Bild 1 von 33. Startposition: Alle Zahlen sind grau. Zur Verdeutlichung markieren wir die jeweiligen 10er Gruppen in gleichen Farben.Wenn man 2 Zahlen verbindet, die zusammen 10 ergeben, verschwinden sie. Am Anfang heisst es also einfach: Gruppen reduzieren. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 2 von 33. Alle fünf Züge (siehe «Score») kommen neue Zahlen dazu, oder bestehende Gruppen teilen und dehnen sich aus. Tipp: Je weiter eine Gruppe in eine Ecke gedrängt wird, desto weniger Möglichkeiten gibt es für sie, sich auszudehnen. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 3 von 33. Neue Zahlen erscheinen auf den Feldern. Ab jetzt immer das gleiche Verfahren anwenden: 1.) Die bestehenden Gruppensummen checken (hellgrau: oben rechts 9+1=10). 2.) Die neuen Zahlen entweder a.) sofort eliminieren; b.) zur bestehenden Gruppe dazusummieren; c.) zur Schaffung einer neuen Gruppe verwenden. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 4 von 33. Ein Zug noch, bis neue Zahlen dazukommen. Eine weitere Gruppe kann also eliminiert werden. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 5 von 33. Ein falscher Wisch und alles ist vorbei. Darum erst immer nach Farben-Gruppen vorsortieren! Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 6 von 33. In der Summe ergeben alle Gruppen 10 (oder ein Vielfaches davon). Jetzt sind es nicht nur Zweiergruppen, sondern auch Dreiergruppen. Heisst: In fünf Zügen können wir nicht alle Zahlen so säuberlich eliminieren. Aber wir können versuchen, die Gruppen möglichst klein (und am Rand) zu halten. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 7 von 33. Die Dreiergruppen habe ich auf Zweiergruppen heruntergekürzt. Die restlichen Gruppen (ausser hellblau) konnte ich eliminieren. Jetzt: Wie immer erst Summen checken. Da fällt auf: Hellblau hat sich zerteilt! Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 8 von 33. Jetzt ergeben alle Summen wieder 10 (oder ein Vielfaches davon). Die restlichen neuen Zahlen können eliminiert werden. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 9 von 33. Die Gruppensummen stimmen. Die neuen Zahlen sind vier Zweiergruppen und eine Dreiergruppe. Die Dreiergruppe eliminiere ich zuerst (da sie mein hellblaues Feld massiv vergrössert). Anschliessend die Zweiergruppen, wobei eine übrig bleibt (bevorzugterweise eine am Rand bzw. in der Ecke). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 10 von 33. Wieder neue Zahlen – wieder erst Summen berechnen. Rot: 6+8=14 (6 fehlen – kein Problem, steht ja grad daneben). Hellblau: 9+3+6=18 (2 fehlen – kein Problem, steht ja auch grad daneben). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 11 von 33. Mit Farben bringen wir wieder Ordnung in unser Decodoku. Die restlichen neuen Felder können wir eliminieren. (Und am Schluss wird noch ein fünfter Zug übrig bleiben, um eine der bestehen Gruppen zu verkleinern). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 12 von 33. Wieder neue Zahlen – wieder Summen prüfen: Dieses Mal hat sich die dunkelblaue Gruppe verändert (7+7=14 heisst es fehlen 6 – schon wieder kein Problem!). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 13 von 33. Ordnung halten ist wichtig: Jetzt stimmen die Gruppensummen wieder. Mit 5 Zügen kann man jetzt genau alle neuen Zahlen eliminieren. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 14 von 33. Summen checken: Rot 6+4=10, Hellblau 3+3+2+9=17 (3 fehlen; kein Problem!), 6+3+7=16 (4 fehlen, kein Problem!). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 15 von 33. Die bunten Summen stimmen wieder. Die neuen Zahlen ergeben addiert 40. Man kann sie auch in 5 Schritten perfekt eliminieren. Das machen wir jetzt auch. Ansonsten wächst die dunkelblaue Gruppe gefährlich nahe an den oberen Spielrand heran. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 16 von 33. Rot: 6+4=10. Hellblau: 2+9+3+3+7=24 (6 fehlen, kein Problem). Dunkelblau: 6+4+1+7=18 (2 fehlen, kein Problem). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 17 von 33. Farben sorgen für Ordnung. Mit vier Zügen sind die neuen Zahlen eliminiert. Heisst: ein Zug bleibt noch. Entweder kann damit die rote Gruppe eliminiert werden (wäre vielleicht schlau gewesen?). Hier entscheiden wir uns stattdessen dafür, die hellblaue Gruppe zu verkleinern. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 18 von 33. Die Summen stimmen nach wie vor. Heisst: neue Zahlen eliminieren. Ich beginne mit den vier Zweiergruppen. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 19 von 33. Ein Zug bleibt mir noch, eine Dreiergruppe auch. Die Frage bloss: ist 9+5+6=20 ihre eigene Gruppe? Oder gehört sie zur Dunkelblauen mit dazu? Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 20 von 33. Hier entscheiden wir uns dafür, eine neue grüne Gruppe zu gründen. Vermutlich gehört diese Gruppe aber einfach zu einer grossen dunkelblauen. Darum wollen wir sie so schnell wie möglich wieder loswerden. Damit das riesige Feld am unteren Rand nicht quer über den Bildschirm wächst. Aber: Erst wie immer Ordnung schaffen! Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 21 von 33. 5 Züge Zeit, um so viele Felder wie möglich zu eliminieren. Dabei gilt es vor allem, die untere Gruppe (bzw. die unteren Gruppen) zu verkleinern. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 22 von 33. Gut ist das Problem mit der grünen Gruppe beseitigt. Es bleibt sogar ein Zug übrig, um die restlichen Gruppen zu verkleinern. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 23 von 33. Immer das gleiche Spiel: 1.) Summen checken. 2.) Mit Farben Ordnung schaffen. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 24 von 33. Jetzt ergeben die Gruppen in ihrer Summe wieder 10 (oder ein Vielfaches davon). Das bedeutet: 5 Züge Zeit um die neuen Gruppen zu eliminieren. Und die alten Gruppen zu verkleinern. Dabei sollte man immer so wenig Gruppen wie möglich haben. (Rückblickend hätte hier also besser die rote Gruppe eliminiert werden sollen). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 25 von 33. Die Summen stimmen noch. Die neuen Zahlen lassen sich alle eliminieren. Erneut wäre die Chance bestanden, mit dem fünften Zug die rote Gruppe zu eliminieren. Aber wir schauen ihr lieber beim wuchern zu, damit es spannend bleibt ;). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 26 von 33. Die rote und hellblaue Gruppe sind aneinander gewachsen. Höchste Zeit eine der beiden loszuwerden. Nachdem die drei neuen Zweiergruppen eliminiert sind, verwenden wir die restlichen 2 Züge um die rote Gruppe loszuwerden. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 27 von 33. Die Summen stimmen. Drei Züge braucht es wieder für die drei neuen Zweiergruppen. Mit den restlichen zwei Zügen eliminieren wir die rote Gruppe. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 28 von 33. Und noch einmal: Hellblau 7+7+7+9+1=31 (9 fehlen – bzw. 5+4 kommen zur Gruppe dazu), Dunkelblau 8+8+8+8+5+1+2+4=44 (6 fehlen – bzw. 8+8=16 kommen zur Gruppe dazu). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 29 von 33. 2 Züge später herrscht wieder Ordnung. Bleiben 3 Züge, um die grossen beiden Gruppen schrumpfen zu lassen, denn das Spiel gilt als verloren, wenn eine Gruppe einmal quer über das Spielfeld wächst. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 30 von 33. Wenn es aufgeht, ist das immer ein gutes Zeichen. Die Summen stimmen. Und die neuen Zahlen lassen sich als fünf Zweiergruppen perfekt eliminieren. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 31 von 33. Dunkelblau 7+4+3+6+5+8+4+8=45 (5 fehlen, wieder kein Problem), Hellblau 1+1+8+8+2=20. Das ist neu: Zum ersten Mal bleibt eine Zahl übrig. 5 gehört jetzt zu Dunkelblau; 6+4 eliminieren wir genauso wie 4+3. Die 3 lassen wir also einfach stehen und ignorieren das Problem. Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 32 von 33. Das Problem mit der übrigbleibenden 3 hat sich von selbst gelöst. Wir gehen zurück zur Routine: Summen checken: Hellblau 1+4+4+8+3=20; Dunkelblau 5+6+5+8+4+8=36 (4 fehlen – bzw. 14: wir schliessen 8+6 der dunkelblauen Gruppe an). Bildquelle: Screenshot SRF.
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Bild 33 von 33. Gruppen müssen nicht zwingend zusammenhängen. Die neuen Zahlen ergeben in ihrer Summe 40, lassen sich also alle eliminieren. Mit dem letzten Zug versuchen wir, die dunkelblaue Gruppe in die untere linke Ecke zurückzudrängen. Bildquelle: Screenshot SRF.
Sind die oben beschriebenen Routinen umgesetzt, muss man nur noch wissen, dass weniger Gruppen auch weniger Probleme bedeuten.
Natürlich habe ich sofort mit dem Game-Author James Wootton telefoniert, um ihm zu erzählen, dass ich sein Quanten-Physik-Problem gelöst habe. Er meinte, wirklich interessant wird eine Strategie, wenn man damit einen Highscore über 200 erreicht. Mit etwas Übung und vor allem mit der Erkenntnis, so wenig Gruppen als möglich zu haben (im Idealfall eine Grosse), erreichen wir aktuell fast 600.
James Woottton versprach mir, sich meine Methode genauer anzusehen. Wer selber einen Lösungsweg hat, sollte ihn vielleicht nicht ganz so offenherzig preisgeben. Schliesslich winkt für die beste Lösung winkt ja ein Preisgeld.