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Ernüchterung auf Sizilien Aus G7 wird G6+1

Der Gipfel wurde zwar nicht zum Desaster. Die Resultate liegen aber weit hinter den Hoffnungen. Eine Einschätzung.

Streit, Spaltung, Enttäuschung. Die Schlagzeilen zum G7-Gipfel in Taormina sind wenig erbauend. Bei den grossen Fragen, die die mächtigsten Staats- und Regierungschefs in Sizilien diskutiert haben, zeigt sich: Es gibt zwei Lager innerhalb dieser G7. Auf der einen Seite die USA, respektive US-Präsident Donald Trump. Auf der anderen Seite: alle anderen.

Es war ganz klar: Trump wollte hier den starken Mann markieren.
Autor: Fredy Gsteiger SRF-Korrespondent

SRF: Ist US-Präsident Donald Trump an allem schuld?

Fredy Gsteiger: Tatsache ist, dass die Differenzen schon in sehr vielen Fällen zwischen ihm einerseits, und den Europäern, Japan und Kanada andererseits, verliefen. Trump ist hier ausgesprochen ruppig aufgetreten, kam zum Teil zu spät zu Sitzungen, setzte die Übersetzungskopfhörer nicht auf, wenn in anderen Sprachen als auf Englisch gesprochen wurde. Die Hoffnung, man könne Trump mit freundlichen Gesten oder mit Zugeständnissen einbinden, hat sich nicht erfüllt. Es war ganz klar: Trump wollte hier den starken Mann markieren.

Aber immerhin sassen noch andere sechs Mächtige am Verhandlungstisch. Ist es nicht zu einfach, einer Person die Schuld in die Schuhe zu schieben.

Es geht nicht um Schuldzuweisungen. Aber es ist offenkundig, dass die Auseinandersetzungen mit ihm härter waren als die Auseinandersetzungen mit früheren US-Präsidenten auf G7- oder noch früher auf G8-Gipfeln. Und es ist auch offensichtlich, dass die gemeinsame Basis schmaler geworden ist. Bei früheren solchen Treffen umfasste die Schlusserklärung häufig 30 oder 40 Seiten. Heute hat man sich gerade mal auf eine sechsseitige Erklärung einigen können. Die Seitenzahl ist ja nicht das Einzige, das zählt. Aber es ist schon auch ein Zeichen.

Die Schlusserklärung zum Klimaschutz wurde von allen ausser den USA unterschrieben. Präsident Trump will in den nächsten Tagen entscheiden, ob er das Pariser Klimaabkommen weiterhin hochhalten will oder nicht. Ist das üblich?

Das ist völlig unüblich. Ich kann mich nicht erinnern, dass das jemals auf einem G7-Gipfel so gehandhabt wurde. Im Grunde genommen haben die anderen sechs Länder eine separate Erklärung zum Klimaschutz abgegeben – eine Erklärung, die die USA eben nicht mittragen. Und das reduziert natürlich die Bedeutung dieses Beschlusses. Wenn man ein so wichtiges Land wie die USA nicht mit an Bord hat, dann hat natürlich diese Erklärung zum Klimaschutz ganz offenkundig weniger Gewicht.

Warum hat der US-Präsident nicht Nein gesagt, sondern will später entscheiden?

Man weiss es nicht. Er hat sich dazu nicht geäussert. Er gab auch keine Medienkonferenz nach dem Gipfel. Eine Überlegung ist die, dass er aus dem Pariser Klimaabkommen austreten will, dies aber nicht hier bekanntgeben wollte – vor missbillig blickenden Staats- und Regierungschefs aus anderen Ländern. Sondern, dass er es erst vor jubelnden Anhängern sagen will, wenn er wieder zurück in den USA ist.

Ebenfalls nicht geeinigt haben sich die G7 in Sachen Flüchtlingspolitik. Wo verliefen hier die Gräben?

Das Gewicht des Westens wird geringer. Das ist auch schlecht für Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit oder für Ziele wie Umweltschutz.
Autor: Fredy Gsteiger SRF-Korrespondent

In diesem Punkt verliefen die Gräben nicht nur zwischen Trump und den anderen. Es gab auch mehrere Gräben unter den Europäern. Der französische Präsident Emmanuel Macron, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und die britische Premierministerin Theresa May haben in den nächsten Monaten Wahlen zu bestehen – und alle drei hatten wahrscheinlich kein sehr grosses Bedürfnis, am G7-Gipfel als grosse Migrationsbefürworter aufzutreten.

Die mächtigsten sieben Industrienationen sind sich in elementaren Fragen uneinig. Welche Signalwirkung hat dies für andere Weltmächte, wie beispielsweise Russland oder China?

Sie werden das bestimmt mit Genugtuung aufnehmen. Und nicht nur sie, sondern auch in Damaskus, Teheran, Pjöngjang dürfte man sich tendenziell freuen. Nachdem der Westen ja ohnehin weltpolitisch ganz allmählich an Bedeutung verliert, passiert dieser Bedeutungsverlust natürlich noch schneller, wenn man in zentralen Fragen gespalten ist. Das Gewicht des Westens wird geringer. Und das ist nicht nur schlecht für den Westen an sich, sondern es ist auch schlecht für Werte wie Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit oder für Ziele wie Umweltschutz. Denn es sind doch mehrheitlich westliche Länder, die diese Ziele hochhalten.

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