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International Die Arbeitsbedingungen bleiben schlecht

Zwei Jahre ist es her, dass beim Einsturz einer Textilfabrik bei Dhaka mehr als 1100 Menschen umkamen. Namhafte Modehäuser liessen dort ihre Kleider billig herstellen. So etwas dürfe nie wieder passieren, wurde danach gesagt. Doch: Hat sich wirklich etwas geändert?

Als Rosina am 24. April 2013 wieder zu sich kam, hörte sie Schreie. Auf ihrem linken Arm lagen eine Textilmaschine, ein Stützpfeiler und eine Deckenlampe. Die Näherin steckte im eingestürzten Gebäude fest. Nach zwei Tagen wurde sie von Helfern entdeckt, die sie jedoch nicht befreien konnten. Am dritten Tag bat sie um eine Säge und schnitt sich ihren Arm ab. Dann wurde sie aus den Trümmern gezogen.

Rente hält Familie über Wasser

Zwei Jahre nach dem Unfall führt Rosina über einen kleinen Innenhof in ihr bescheidenes Zuhause. In der Zimmerecke steht eine Prothese, die sie kaum benützt. Nach dem Unfall hatte die 25-Jährige von privaten Spendern umgerechnet 2300 Franken bekommen. Ihr Mann stahl ihr das Geld und verspielte es.

Danach kam er zurück. Rosina akzeptierte ihn, weil sie eine Tochter hatte, aber keine Arbeit. Jetzt liegt ein weiteres Kind auf ihrem Schoss. Rosina ernährt die kleine Familie mit den monatlich umgerechnet 116 Franken, die sie aus dem Hilfsfonds der Regierung bekommt. Aber sie sagt: «Ich fühle mich hilflos, weil ich nur Zuhause herumsitze.» Zwar erhalte sie jetzt mehr Geld, als sie als Näherin früher verdient habe. Doch ein Drittel davon brauche sie für Medikamente.

Viele andere Opfer warten zwei Jahre nach dem Unfall noch immer auf eine Entschädigung. Denn im Kompensationsfonds fehlen laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO neun Millionen Dollar. Zahlreiche Mode-Markenfirmen, die in Bangladesch produzieren lassen, haben zu wenig einbezahlt.

Abkommen über Sicherheit

Und doch gibt es Verbesserungen: Heute existieren eine nationale und zwei internationale Initiativen für die Sicherheit und die Rechte der Arbeitenden. Der Bangladesh Accord, das Abkommen für Feuer- und Gebäudesicherheit, ist eine davon. Auch das Schweizer Modehaus Charles Vögele, das mehr als 50 Prozent seines Sortiments aus Bangladesch bezieht, hat das Abkommen unterschrieben.

Stephan Schuh ist Vögele-Chefeinkäufer in Dhaka. Er stellt grosse Veränderungen fest: «Durch dieses Unglück ist das Bewusstsein omnipräsent wie in keinem anderen Beschaffungsland.» Wenn ein Einkäufer in einen Betrieb komme, sei stets die erste Frage, ob er Accord-zertifiziert sei und wenn ja, mit welchem Status. Bei den Einkäufern habe also ein Bewusstseinswandel stattgefunden.

Allerdings war ein Besuch in einer der 50 Fabriken, aus denen Vögele seine Ware bezieht, nicht möglich. Die Besitzer wollten keine Journalisten in ihren Fabriken, sagt Schuh.

Fabriken werden nun kontrolliert

Laut der ILO überprüften Inspektoren in den vergangenen zwei Jahren bereits zwei Drittel der 3500 Fabriken, die ihre Ware ins Ausland exportieren. 32 dieser Fabriken mussten danach schliessen. Hunderte Fabrikbesitzer müssen die Sicherheit in ihren Nähhallen verbessern. Berappen tun das jedoch nicht die Modehäuser sondern in den meisten Fällen die Besitzer. Das bringt vor allem die kleineren in Konkursgefahr.

Audio
Die Sicherheit wurde besser – nicht aber die Arbeitsbedingungen
aus Echo der Zeit vom 23.04.2015.
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 54 Sekunden.

Augenschein in der Fabrik von Arif Jebtik: Noch surren die Nähmaschinen, aber von seinen knapp 800 Näherinnen hat der Fabrikbesitzer bereits die Hälfte entlassen. Im Juni will er ganz schliessen. Denn Inspektoren verlangten Investitionen und weitere Untersuchungen, was ihn 40'000 Dollar kosten würde. Statt ihn zu unterstützen, seien seine grössten Kunden H&M und C&A abgesprungen, weil sie kein Risiko eingehen wollten, sagt Jebtik.

Verbesserungen bleiben am Besitzer hängen

«Zwölf Jahre lang habe ich für H&M gearbeitet. Dann geschah der Unfall im Rana Plaza», so Jebtik weiter. Die Markenhäuser behielten die sicheren Grossfabriken und liessen die kleinen im Stich. Statt Verantwortung zu übernehmen, würden sie sich nun einfach die Hände reinwaschen.

Die kleinen Fabriken, die sich meist ein Gebäude teilen, müssen schliessen. Die Grossen dagegen überleben. Für die übrig bleibenden Näherinnen ist der Produktionsdruck gestiegen. Sie berichten von viel längeren Arbeitszeiten. Wehren können sie sich kaum, wie die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem neuen Bericht schreibt. Arbeitende, die sich gewerkschaftlich organisieren wollen, riskierten ihren Job und ihr Leben.

Fazit: Die Sicherheit der Fabriken in Bangladesch hat sich verbessert – die Arbeitsbedingungen jedoch nicht.

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