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International «Die EU hat das Flüchtlingsproblem nicht im Griff»

Aus Deutschland werden Vorwürfe laut, Österreich würde Flüchtlinge unkontrolliert durchs Land nach Deutschland lassen. So war es am Dienstag in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» zu lesen. Was ist an der Kritik dran?

Wie in anderen Ländern Europas gehen auch in Österreich die Wogen hoch angesichts der grossen Zahl an Flüchtlingen. Seit Monaten wird die heisse Kartoffel «Flüchtlinge» zwischen Bundesländern, Gemeinden und der Regierung in Wien hin- und hergeschoben. Sinnbild der Krise ist das Flüchtlingslager in Traiskirchen in Niederösterreich: Mehr als 4000 Menschen harren in dem Lager aus, das eigentlich für bloss 1000 Flüchtlinge ausgerüstet ist.

Nun werden aus Deutschland auch noch Vorwürfe laut, die Behörden in Österreich würden Flüchtlinge auf ihrer Reise nach Deutschland unkontrolliert durchs Land lassen. SRF News hat darüber mit Herbert Lackner gesprochen, dem langjährigen Chefredaktor des österreichischen Magazins «Profil».

SRF News: Was ist an der Kritik aus Deutschland dran, Österreich kontrolliere durchreisende Flüchtlinge nicht und ermögliche es ihnen so, unbehelligt nach Norden zu reisen?

Herbert Lackner

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Herbert Lackner war von 1992 bis zu seiner Pension im März 2015 Chefredaktor des österreichischen Nachrichtenmagazins «Profil».

Herbert Lackner: So stimmt das nicht. In den letzten Tagen und Wochen sind in Österreich 4000 Flüchtlinge an den Autobahnen aufgegriffen worden. Sie wurden von Schleppern dort ausgesetzt und wollten sich in andere Länder durchschlagen. Trotzdem ist mir dieser Vorwurf nicht fremd: Die Österreicher äussern ihn gegenüber den Ungaren und den Italienern.

Österreich wirft seinen Nachbarländern also dasselbe vor, was jetzt Deutschland Österreich vorwirft. Ist das ein Schwarzpeter-Spiel?

Das zeigt vor allem, dass die EU dieses Problem nicht im Griff hat. Es ist absurd, dass wir in Ungarn nun wieder Grenzzäune bauen; 25 Jahre, nachdem sie beseitigt wurden. Oder dass das grosse Europa nicht in der Lage ist, diesen kleinen Teil an Flüchtlingen aufzunehmen, die aus dem so arg mitgenommenen Nahen Osten zu uns kommen. Verglichen damit, wie viele Syrer Libanon oder Jordanien aufgenommen haben, ist das ja ein Klacks.

In Schengenland gibt es keine Grenzkontrollen.

Laut der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» kamen an einem einzigen Tag 900 Flüchtlinge über die Brennerroute mit dem Zug in Deutschland an. Da müssen die österreichischen Grenzwächter, Polizisten und Kondukteure in den Zügen doch beide Augen zugemacht haben?

Audio
«Das ist ein Skandal!»
aus SRF 4 News aktuell vom 19.08.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 31 Sekunden.

Wir sind in Schengenland. Da gibt es keine Grenzkontrollen. Wenn illegale Flüchtlinge auf der Autobahn unterwegs sind, werden sie auch aufgegriffen. Aber alle Zehntausende von Passagieren in den Zügen zu kontrollieren, die täglich Österreich durchqueren, übersteigt die Möglichkeiten.

Österreich macht seit Wochen Schlagzeilen wegen der Asyldiskussion. Man erhält den Eindruck, Österreich tue nicht alles, was es könnte, um den Flüchtlingen zu helfen...

Das ist natürlich ein riesiger Skandal, denn in Österreich passiert dasselbe wie in der EU. Wir haben neun Bundesländer, und nur zwei von ihnen – Wien und Niederösterreich – erfüllen die vorgesehenen Quoten an Flüchtlingen, die sie beherbergen müssen. In der EU gibt es so etwas wie Quoten gar nicht. Deshalb kommt es zu Zuständen wie in Traiskirchen, wo 4000 Leute auf einem relativ kleinen Areal sitzen und dort vor sich hin darben. Sie haben dort nichts zu tun. Viele haben nicht einmal ein Zelt.

Wenn jetzt Wahlen wären, wäre die FPÖ stärkste Partei.

Die rechtspopulistische FPÖ hat in den vergangenen Jahren stets den Asyldiskurs dominiert. Profitiert sie jetzt auch von der aktuellen Situation?

Eindeutig. Die FPÖ liegt in den bundesweiten Umfragen derzeit bei rund 28 Prozent, die Regierungsparteien ÖVP und SPÖ liegen einigermassen abgeschlagen bei rund 24 Prozent. Würde jetzt gewählt, wäre die FPÖ wahrscheinlich die Nummer Eins.

Das Interview führte Christoph Kellenberger.

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