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International Europäische Probleme – asiatisch rapportiert

Wegen des Terrors und der Flüchtlingskrise malen einige hiesige Medien schwarz und sehen einen ganzen Kontinent im Abstieg begriffen. Die Aussensicht? Auch japanische, chinesische und indische TV-Sender und Zeitungen sehen Europa in Schieflage geraten. Ihre Vorbehalte äussern sie nicht ohne Grund.

  • Japanische Medien erachten den Terror in Belgien als das Resultat einer falschen europäischen Integrationspolitik.
  • Chinesische Medien missbrauchen die Anschläge in Europa, um staatliche Repression und Gewalt gegen Uiguren zu rechtfertigen.
  • In indischen Medien zeigt sich, dass das Land im Terror erfahren ist. Die Inder sind wenig schockiert.

Als machte die Flüchtlingskrise Europa nicht schon genügend zu schaffen. Der Kontinent wird nun auch wieder durch Terror geprüft. Über Gedeih und Verderb der europäischen Gemeinschaft wird nicht nur auf dem politischen Parkett debattiert, auch hiesige Medien beteiligen sich am Diskurs.

Neue Blickwinkel mögen hier neue Einsichten eröffnen. Doch gibt es die überhaupt? Reflektieren etwa japanische, chinesische und indische Medien, dass in Europa die Stunde der Wahrheit schlägt? Und sind sie dabei selbst unvoreingenommen?

Japan: Bewunderung und Schadenfreude

Laut Franz Waldenberger, Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio, werden sowohl die Terroranschläge wie auch die Flüchtlingskrise in Europa in den japanischen Medien beleuchtet.

Die unseriösen japanischen Zeitungen bauschen die europäischen Probleme noch auf. Ja, sogar ein bisschen Schadenfreude mischt sich bei.
Autor: Franz Waldenberger Direktor des Deutschen Instituts für Japanstudien in Tokio
Die am Montag erscheinende AERA stellt eine These mit Zündstoff auf.
Legende: Die am Montag erscheinende AERA stellt eine These mit Zündstoff auf. AERA/Franz Waldenberger

Dabei würden die beiden Problemen zunächst getrennt gesehen; «die Flüchtlingskrise als die zweite grosse Herausforderung für die EU nach der Euro-Krise, der Terrorismus als Gefahr, die man vermeidet, indem man schlicht nicht mehr nach Europa fährt.»

In einem zweiten Schritt würde «durchaus eine Konnotation der Probleme hergestellt». Die Wochenzeitschrift AERA, die kommenden Montag erscheint, stellt etwa die These auf, dass es sich bei den belgischen Islamisten um eine eigenständige Terrororganisation handle, die ein Ergebnis der falschen europäischen Migrationspolitik sei und die man mit der Bekämpfung des IS nicht beseitigen könne.

Die Verbindung von Terror und Flüchtlingskrise erfolge laut Waldenberger aber nicht nur um ihrer selbst willen. Sie diene den Medien auch als politisches MIttel zum Zweck.

Japan wäre aufgrund der demographischen Situation nämlich dringend auf ausländische Arbeitskräfte aus den Philippinen, Malaysia oder Indonesien angewiesen. Doch laut Waldenberger hätten die konservativen Japaner Angst, dass die Einwanderung die Gesellschaft destabilisiere und die Kriminaliätsrate steige.

Deswegen würden die Vorkommnisse in Europa in einigen Blättern gezielt instrumentalisiert. «Die unseriösen Zeitungen bauschen die europäischen Probleme noch auf». Ja, sogar «ein bisschen Schadenfreude» mische sich bei – über einen Integrationsprozess, den die Japaner auf der einen Seite bewundert, auf der anderen Seite aber auch angezweifelt hätten. «Diese Zweifel sieht man nun bestätigt.»

China: Selbst-Erfahrung und Lizenz für Uiguren-Unterdrückung

Auch in chinesischen Zeitungen, Radio- und TV-Sendern werden die europäischen Probleme rapportiert. Zwar sind journalistische Einschätzungen und Kommentare selten. Doch dafür sind einzelne Medien um grösstmögliche Nachvollziehbarkeit bemüht. Eine neue Online-Zeitung hat etwa unlängst einen langen Multimedia-Bericht aufgeschaltet, bei dem chinesische Redaktoren die gesamte Flüchtlingsroute abgewandert sind.

Die chinesischen Behörden nutzen die Ereignisse in Europa als Legitimation für den Überwachungsstaat.
Autor: Pascal Nufer SRF-China-Korrespondent

Zynischer Kommentar

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Am Anfang der Flüchtlingskrise hat es einen zynischen offiziellen Kommentar in einem parteitreuen Blatt gegeben, der etwa auf folgende Aussage abzielte: Europa solle froh sein, dass China den Frieden dem Krieg vorziehe. Befände sich nämlich China im Krieg, würden die Flüchtlingsströme noch ganz andere Dimensionen annehmen (Quelle: Pascal Nufer).

Doch auch einzelne chinesische Medien benutzen die europäischen Konflikte für eigene Zwecke. So gibt SRF-China-Korrespondent Pascal Nufer an, dass die Ereignisse in Europa, respektive die chinesische Berichterstattung den Behörden in die Hände spiele.

«Die Behörden nutzen diese als Legitimation für den Überwachungsstaat und eine Terrorbekämfpung, die sich inbesondere gegen die Uiguren richtet»; gegen jene turksprachige muslimische Minderheit im autonomen Gebiet Xinjiang.

Lukas Zessmer, freier Journalist in Shanghai, weiss diese mutmassliche Verbindung zu erhärten. «Unlängst haben die chinesischen Behörden einer französischen Journalistin das Visum entzogen, weil sie genau das geschrieben hat: dass die chinesischen Behörden die angebliche Terrorbekämpfung zur Unterdrückung der Uiguren benutzen.»

Indien: Weniger geschockt, weil im Umgang mit Terror erfahren

Auch die indischen Medien berichten von den beiden Krisen Europas. Laut Johannes Plagemann, Research Fellow am German Institut of Global and Area Studies in Hamburg, schlagen sie aber prinzipiell einen sachlichen Ton an. Der Grund ist der, dass Indien in Sachen Terror nicht unerfahren ist.

Das Phänomen ist in Indien bekannt. Dementsprechend ist auch der Schock nicht so gross wie in Europa.
Autor: Johannes Plagemann Research Fellow am German Institut of Global Area Studies in Hamburg
Zertrümmerer Zug in Mumbai
Legende: Bei den koordinierten islamistischen Anschlägen in Mumbai 2006 starben 209 Menschen. Keystone

«Wenn man an den bekanntesten Terroranschlag in Mumbai 2006 denkt, sind bei einem über mehrere Stadtteile verteilten Anschlag weit mehr Menschen gestorben als in Paris oder Brüssel. Das Phänomen einer Vielzahl koordinierter Anschläge ist in Indien schon länger bekannt. Dementsprechend ist auch der Schock nicht so gross wie in Europa.»

Mit Blick auf die eigenen politischen Herausforderungen hat es Indien denn auch nicht nötig, die europäischen Probleme zu färben und so zu benutzen. «Ich sehe keinen besonderen Bias bei der Berichterstattung. Nicht weil die indische Regierung nicht strategisch denken würde, sondern weil sich die Instrumentalisierung weniger anbietet. Um etwa im Kontext des Konflikts mit Pakistan gegen den Terror vorzugehen, muss die indische Regierung nicht Europa zur Begründung ihrer Massnahmen heranziehen.»

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