Es ist der grösste Brand in der Megametropole Hongkong seit mehr als 60 Jahren. In der Nacht auf Donnerstag ging ein ganzer Wohnhauskomplex in Flammen auf. Sieben Hochhäuser, dicht beieinanderstehend, brennen lichterloh. Es sind die Wohnungen von tausenden Menschen. Um die 70 Todesopfer haben die Behörden bisher bestätigt, Hunderte Menschen werden noch vermisst.
Feuerwehrleitern zu kurz
Die Opferzahlen steigen laufend. Auch am Tag danach ist der Brand noch nicht vollständig gelöscht. Die Leitern der Feuerwehr reichen nur bis auf 55 Meter – die Häuser selbst sind bis zu 90 Meter hoch.
Drehleitern der Feuerwehr erreichen in der Regel bis zu 30 Meter Höhe. Spezielle Hubrettungsfahrzeuge kommen auf 53 Meter. «Das reicht meistens etwa bis zum neunten Stock – alles darüber hinaus ist von aussen mit Leitern nicht zugänglich», sagt Jan Bauke, Ausbildungschef bei Schutz und Rettung Zürich.
Rettung aus dem Hochhaus
Solche Häuser müssten in der Schweiz darum immer mit einem «Feuerwehrlift» ausgestattet sein, sagt Bauke. «Das ist ein speziell geschützter Lift, der mit einem Schlüssel nur für die Feuerwehr zugänglich ist.»
Moderne Hochhäuser verfügen ausserdem über sogenannte Sicherheitstreppenhäuser. «Im Treppenhaus wird ein Überdruck erzeugt: Durch den höheren Luftdruck kann der Rauch nicht ins Treppenhaus ziehen und die Menschen können über die Treppe flüchten.»
Feuer löschen in 90 Metern Höhe
Auch bestimmte Löscheinrichtungen müssten im Hochhaus eingebaut sein: «Zum Beispiel die Wasserleitungen – da gibt es mehrere Löschposten über die Stockwerke verteilt», sagt Jan Bauke.
Irgendwann sind auch wir von der Feuerwehr machtlos.
Moderne Hochhäuser werden in der Schweiz mit Brandschutztüren in «Brandabschnitte» unterteilt, sodass sich Brände nicht ausweiten sollten. «Wenn aber, so wie in Hongkong, schon das ganze Hochhaus in Flammen steht, sind auch wir von der Feuerwehr machtlos. Ins Gebäude rein können wir nicht mehr, die Einsturzgefahr ist zu hoch.»
Baustelle als Risikofaktor
Die betroffenen Hochhäuser in Hongkong waren eine Baustelle. Was den Brand genau ausgelöst hat, ist noch nicht klar. Doch Baustellenmaterial könnte den Brand beschleunigt haben. Es geht um Plastikfolien, Styropor-Platten und die Bambus-Baugerüste rund um die Gebäude.
Diese Liste löst bei Reinhard Wiederkehr Stirnrunzeln aus. Er ist Experte für Brandschutz und hat auch schon Brandschutzkonzepte für Hochhäuser in der Schweiz gemacht, zum Beispiel für den Primetower in Zürich. «Solch brennbares Material sollte möglichst nicht verwendet werden».
Wenn gleichzeitig am Gebäude gebaut und darin gewohnt wird, wirds mit dem Brandschutz heikel.
Er gibt zu bedenken: «Brandschutz ist nicht gleich Brandschutz: Baustellen sind eine ganz eigene, komplexe Disziplin». Solange das Gebäude eine reine Baustelle sei, sei das gut machbar. «Aber wenn am Gebäude gleichzeitig gebaut und darin gewohnt wird, wird es heikel.»
Prävention in der Schweiz
Nebst Brandschutztüren, Sicherheitstreppenhäusern und eingebauten Löschwasserleitungen seien Schweizer Hochhäuser üblicherweise auch mit Sprinkleranlagen ausgerüstet, sagt Brandschutzexperte Wiederkehr.
Ausserdem gibt es in der Schweiz Vorgaben zum Material: «Die Fassade muss so geplant werden, dass ein Brand nicht auf mehr als drei Geschosse übergreifen kann.»