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International Kritik an Verhaftung von Journalisten in der Türkei

Die Verhaftung von zwei prominenten regierungskritischen Journalisten in der Türkei hat heftige Proteste ausgelöst. Oppositionsvertreter und Medienverbände sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit. Auch die EU zeigte sich besorgt.

Der Chefredakteur und der Leiter des Hauptstadtbüros der regierungskritischen Zeitung «Cumhuriyet», Can Dündar und Erdem Gül, waren am Vorabend wegen des Verdachts auf Spionage und Geheimnisverrats in Untersuchungshaft genommen worden.

Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich hatte im Mai Strafanzeige erstattet gegen «Cumhuriyet», weil die Zeitung Fotos von der Durchsuchung eines angeblich für die Terormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien bestimmten Waffenkonvois des türkischen Geheimdienstes MIT im Januar 2014 veröffentlicht hatte.

Unterstützt die Regierung Dschihadisten mit Waffen?

EU zeigt sich besorgt

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Die EU spricht bezüglich der Festnahmen von einer «beunruhigenden Situation». Diese erfolgten wenige Tage vor dem EU-Gipfel in Brüssel mit der Türkei. Am Sonntag soll ein Aktionsplan zur Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise beschlossen werden. Im Gegenzug stellte die EU der Türkei eine Beschleunigung des Beitrittsprozesses in Aussicht.

Kritiker werfen der türkischen Regierung vor, radikal-islamische Gruppen in Syrien im Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad mit Waffen zu unterstützen. Zunächst hatte die Regierung den Vorwurf der Waffenlieferungen zurückgewiesen und von einer humanitären Sendung für die Turkmenen in Syrien gesprochen. Inzwischen fallen die Dementis jedoch wesentlich schwächer aus.

Vor einigen Tagen fragte Erdogan in einer Rede: «Welchen Unterschied macht es denn, ob der Konvoi Waffen transportierte oder nicht?» Auch deutet der Strafvorwurf des Geheimnisverrats darauf hin, dass nicht nur Decken und Medikamente in den MIT-Lastwagen waren.

Büros durchsucht

Nach der Veröffentlichung des Berichts wurden Ende Oktober die Büros von «Cumhuriyet» in Istanbul und Ankara durchsucht. Erdogan kündigte an, Dündar werde «einen hohen Preis zahlen».

Der Chefredakteur sagte vor dem Haftrichter, er sei weder ein Spion noch ein Held, sondern lediglich ein Journalist. Bei einer Verurteilung drohen Dündar und Gül lebenslange Haftstrafen. Ihnen wird auch Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen.

Protestkundgebung vor der Redaktion

Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu sprach von einer Schande. Die Kurdenpartei HDP erklärte, die Regierung wolle eine Debatte über ihre Unterstützung für radikale Gruppen in Syrien verhindern. Auch die Anwaltskammer Istanbul und der einflussreiche Wirtschaftsverband Tüsiad kritisierten die Haftbefehle.

Bei einer Protestkundgebung mit mehr als tausend Teilnehmern vor der Redaktion von «Cumhuriyet» beklagten Politiker und Journalisten, Erdogan habe in den vergangenen Jahren grosse Teile der Justiz unter seine Kontrolle gebracht. Bestraft werden sollten nicht die Journalisten, sondern jene, die Waffen nach Syrien lieferten, sagten Redner bei der Kundgebung.

Das ist eine weiteres schreckliches Beispiel für die Situation der Pressefreiheit und der Medien im Land
Autor: Andrew Gardner Amnesty International

Die Journalistenverbände TGC und TGS betonten in einer gemeinsamen Erklärung, es sei nicht die Aufgabe von Journalisten, staatliche Interessen zu schützen. Das Vorgehen der Justiz widerspreche der Rechtsprechung des türkischen Verfassungsgerichtes und auch europäischem Recht.

Audio
Türkei: Zwei Redaktoren von «Cumhuriyet» in Haft
aus Rendez-vous vom 27.11.2015. Bild: Keystone
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 40 Sekunden.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisierte die Verhaftung der zwei Journalisten ebenfalls scharf. «Das ist eine weiteres schreckliches Beispiel für die Situation der Pressefreiheit und der Medien im Land», sagte der Türkei-Experte der Organisation, Andrew Gardner.

Aus «politischen Gründen verfolgt»

«Cumhuriyet» wurde vergangene Woche von der Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen als Medium des Jahres ausgezeichnet. Dündar und Gül würden aus «politischen Gründen verfolgt», erklärte die Organisation. Dies sei ein weiterer Beleg für das Bestreben der türkischen Staatsführung, «den unabhängigen Journalismus auszulöschen».

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