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International Schwunghaftes Geschäft mit Flüchtlingen auf Lesbos

Lesbos ächzt unter den Flüchtlingen in der Ägäis. 8000 Neuankömmlinge pro Tag entsprechen fast einem Zehntel der Inselbevölkerung. Nur dank UNO und Hilfsorganisationen ist die Lage nicht völlig ausser Kontrolle. Wie oft in Krisen gibt es aber auch Einzelne oder ganze Branchen, die profitieren.

Am Strand von Skala Sykamias im Norden der Insel spielt sich eine eigenartige Szene ab. Während sich Mitglieder von Hilfsorganisationen gerade um gestrandete Flüchtlinge kümmern, streiten ein Dutzend Einheimische um das Schlauchboot.

«Beim nächsten Boot gehört das Benzin uns, ihr könnt doch nicht euer Auto vollpacken und uns nichts übrig lassen», schimpft eine Frau in pinkfarbenem Pullover. Tatsächlich haben die Männer, die gerade fleissig das Schlauchboot auseinandernehmen, schon die Ladefläche ihres dunkelgrünen Pickups mit Laminat und Kunststofffolien vollgepackt.

Illegaler Handel mit Strandgut

Rodothea Seralidou

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Die Journalistin berichtet seit 2011 für SRF und ARD aus Griechenland. Sie lebt in Athen.

Die Frau erklärt und spricht dabei vorsichtig in der dritten Person, als würde sie nur andere meinen: «Sie machen daraus Hundehäuschen und aus der Kunststofffolie Planen. Das Laminat ist gut, es ist wasserfest und quillt nicht auf. Das Benzin kann man zwar nicht fürs Auto benutzen, aber für Werkzeuge wie etwa Motorsägen.» Und nicht zuletzt sei auch der Bootsmotor brauchbar, falls er nicht nass geworden sei.

Der Handel mit Motoren soll florieren, sagen Einheimische hinter vorgehaltener Hand. Das Problem sei der Stadt bekannt, räumt Pressesprecher Marios Andriotis ein: «Eine kleine Minderheit von Menschen will illegal aus den Booten Profit schlagen. Auch würden Flüchtlinge gegen Bezahlung mit dem Auto mitgenommen: «Wir verurteilen diese Fälle und versuchen dagegen vorzugehen.»

Schokolade, Fladenbrot, Prepaid-Karten

Doch nicht nur die Schattenwirtschaft profitiert vom Geschäft mit den Flüchtlingen. Vor dem Flüchtlingscamp von Kara Tepe, wenige Kilometer von der Hauptstadt Mytilini entfernt, herrscht eine Atmosphäre wie auf einem Jahrmarkt: Es werden Prepaid-Karten fürs Handy verkauft, aber auch Lebensmittel und Getränke.

«In diesem Camp haben wir syrische Familien. Sie haben nicht viel Geld. Darum kostete bei mir nichts mehr als zwei Euro», erklärt Dimitris Chrysos, der einen kleinen mobilen Imbissstand betreibt. Gekauft würden Kartoffelchips, Schokolade, arabisches Fladenbrot, Wasser und Erfrischungsgetränke.

Zwar wird im Camp dreimal täglich Essen ausgeteilt, aber das reicht nicht aus. «Manchmal will man eben noch einen Tee, einen Snack, einen Kaffee. Oder sie kommen mit dem Bus spät abends an und haben Hunger und Durst», berichtet Chrysos, dessen Stand rund um die Uhr geöffnet hat.

Vom Arbeitslosen zum Kleinunternehmer

Erst vor wenigen Monaten ist der 38-Jährige in dieses Geschäft eingestiegen. Zuvor war er drei Jahre arbeitslos, nachdem das von seiner Familie während über zwei Jahrzehnten geführte Restaurant im Zuge der Wirtschaftskrise zwangsgeräumt wurde. Mit dem Imbissstand vor dem Flüchtlingscamp stehe er nun auf eigenen Beinen.

Audio
Lesbos - das Geschäft mit den Flüchtlingen
aus Echo der Zeit vom 18.11.2015. Bild: Rodothea Seralidou.
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 26 Sekunden.

Die Flüchtlinge kurbeln die Wirtschaft richtig an: Die Händler, die Autovermietung, die Kantinen, die Cafés am Hafen. Viele Insulaner sind im Moment gut im Geschäft.

Hotels ausgebucht

«Stellen Sie sich vor: Es ist November und die Hotels sind ausgebucht! Früher hätte man zu dieser Jahreszeit schon für 25 Euro ein Zimmer bekommen», berichtet Chrysos weiter. Denn neben den besser situierten Flüchtlingen vor allem aus Syrien, die lieber in Hotels übernachteten, seien unglaublich viele Journalisten und Mitglieder von Hilfsorganisationen auf der Insel.

Ich wünsche den Flüchtlingen wirklich das Beste. Ich wünsche mir aber auch, dass wir Griechen unseren Weg finden.
Autor: Dimitris Chrysos Imbissverkäufer auf Lesbos

Er wünsche den Flüchtlingen wirklich das Beste und dass sie es schafften, sagt Chrysos und wird nachdenklich. Ebenso sehr wünsche er sich, dass die Griechen ihren Weg fänden und dass es wieder aufwärts gehe: «Das ist zwar ein guter Job gerade. Aber wir können doch nicht hoffen, dass in anderen Ländern Krieg herrscht, damit wir hier Arbeit haben.»

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