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Steinmeier - vom Aussenminister zum Präsidenten
Aus Echo der Zeit vom 11.02.2017. Bild: Keystone
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Wahl des Bundespräsidenten Silberhaar in aschgrauen Zeiten

Frank Walter Steinmeier kann Bundespräsident, davon ist SRF-Korrespondent Peter Voegeli in Berlin überzeugt. Ein Alleskönner ist der ehemalige deutsche Aussenminister deshalb aber noch lange nicht.

Dürfte Frank Walter Steinmeier Meilen sammeln, er wäre schon längst in erlesenen Vielflieger-Zirkeln. 400'000 Kilometer legte der deutsche Aussenminister jährlich zurück, 800 Stunden pro Jahr. Die Folge: Steinmeier ist, zumindest was Aussenpolitik angeht, bestens auf das Amt des Bundespräsidenten vorbereitet.

Wahl des Bundespräsidenten

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In Deutschland wird am Sonntag ein neues Staatsoberhaupt gewählt. Gemeinsamer Kandidat der grossen Koalition ist der frühere Aussenminister Steinmeier. Andere Bewerber gelten als chancenlos. Zur Wahl kommt die Bundesversammlung zusammen, die aus den 630 Bundestagsabgeordneten und ebenso vielen Vertretern der Länder besteht.

Von 2005 bis 2009 war er ein erstes Mal Aussenminister, von 2013 bis vor gut zwei Wochen ein zweites Mal. Das Credo seiner Arbeit bringt Steinmeier wie folgt auf den Punkt: «In der Interpunktion der Aussenpolitik gibt es keinen Punkt, sondern immer nur Kommas.» Will heissen, nie den Gesprächsfaden zerschneiden, immer im Gespräch bleiben – zum Beispiel auch im Fall der Türkei.

«Ich bin nicht zufrieden, wenn ich immer nur kluge Statements aus Berlin in schriller Sprache abliefere, von denen ich weiss, dass sie in der Türkei vermutlich gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Von daher ist es die grössere Überwindung, mitten im Konflikt hinzufliegen und seinem Gegenüber zu sagen, was man von den Verhältnissen hält.»

Der Sozialdemokratie muss man nicht sagen, warum wir für Frieden kämpfen.
Autor: Frank Walter Steinmeier

Mit diesen Eigenschaften und Erfahrungen ist Steinmeier für das Amt des Bundespräsidenten prädestiniert. Was ihn weniger prädestiniert als einige seiner Vorgänger: Er gilt nicht als brillanter Redner.

Seine berühmteste Rede ist ein Wutausbruch im Europawahlkampf 2014, als er im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt von Linken als Kriegstreiber beschimpft wurde. «Ihr solltet euch überlegen, wer hier die Kriegstreiber sind. Der Sozialdemokratie muss man nicht sagen, warum wir für Frieden kämpfen», entgegnete er damals den Linken.

Peter Voegeli

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Peter Voegeli ist seit Sommer 2015 SRF-Korrespondent in Deutschland. Er arbeitet seit 2005 für Radio SRF, zunächst als USA-Korrespondent, danach als Moderator beim «Echo der Zeit».

Der Ausbruch ist völlig untypisch für Steinmeier, der für manche Linke deshalb ein rotes Tuch ist, weil er 1999 bis 2005 Kanzleramtsminister unter Bundeskanzler Gerhard Schröder war und massgeblich mitverantwortlich für die Agenda 2010 mit den berühmt-berüchtigten Hartz-IV-Reformen.

Aussenpolitik, mehr als nur rote Teppiche

Als Politiker ist Steinmeier ein Mann des Ausgleichs. Als SPD-Kanzlerkandidat 2009 scheiterte er deswegen, der Aussenminister der Grossen Koalition konnte sich als Kanzlerkandidat nicht kantig genug von Angela Merkel absetzen. Er ist mehr der geborene Aussenminister oder Bundespräsident.

In seinem Buch «Flugschreiber» schildert er in berührenden Worten, wie Deutschland auf einen Brief einer Lehrerin aus Donezk in der Ukraine die Fenster der Schule reparieren liess, und nochmals reparieren liess, obwohl sie die russlandtreuen Separatisten immer wieder zerstörten.

Sein treffendes wie berührendes Fazit dazu lautet: «Aussenpolitik, das sind nicht nur rote Teppiche – manchmal ist Aussenpolitik nicht mehr und nicht weniger als das Reparieren zerschossener Schulfenster.»

Wutbürger motivieren, Staatsbürger zu sein

Auch wenn Frank-Walter Steinmeier als Aussenminister nicht bloss Schulfenster reparieren liess, schwingt bei dieser Episode die Frage mit: Was tut er, damit die Fenster nicht immer wieder zerschossen werden? Sprich, als Aussenminister wirkte Steinmeier weniger als Gestalter, sondern wie einer, der das Beste aus den Umständen macht.

Sehr eindrücklich aber war er im Privaten: 2010 zog er sich für einige Wochen von der geliebten Politik zurück, um seiner erkrankten Frau eine Niere zu spenden.

Der designierte Bundespräsident Steinmeier ist nicht nur inhaltlich und menschlich gut vorbereitet. Mit seinem silbernen Haar passt er auch gut in das Amt. Seine Herausforderung wird sein: Wie mit der Verrohung der politischen Kultur, den Wütenden und den Wut-Bürgern, wie mit Pegida und mit der AfD umgehen? Wie Wutbürger motivieren, Staatsbürger zu sein.

Silberhaar in aschgrauen Zeiten – das ist quasi Titel und Aufgabe für die Amtszeit von Frank-Walter Steinmeier.

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