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International Von der US-Armee auf die Strasse

In den USA läuft zurzeit eine heftige Debatte über den Umgang mit Kriegsveteranen. Vor wenigen Wochen kehrten die letzten US-Kampftruppen aus Afghanistan heim. Viele Rückkehrer sind traumatisiert, können sich nicht mehr im zivilen Leben einreihen und leben als Obdachlose.

Von der US-Marine auf die Strasse. Etwas abgekürzt war das der Weg von Amanda Gardners. «Etwa sechs Monate lang lebte ich in meinem Auto», sagt die hochgewachsene, schmale Veteranin mit direktem, warmem Blick. «Ich versuchte Freunde kennenzulernen, bei denen ich auf dem Sofa schlafen konnte.»

Gardner war sieben Jahre bei der US-Navy. Vor drei Jahren quittierte sie den Dienst und wurde ehrenhaft entlassen. Sie tat sich schwer mit der Rückkehr in den zivilen Alltag. Ihre Ehe ging in die Brüche. Die Geister der allzu nahen Vergangenheit plagten sie: Marinesoldaten, die mit Gardner im Dienst waren, hatten sie vergewaltigt. Darüber reden kann und will sie noch nicht. «Trauma ist Trauma. Ob du vergewaltigt oder gezwungen worden bist, Menschen zu töten, die du nicht töten wolltest. Das ist so im Krieg.»

Keinen Halt ohne gewohnten Militärdrill

Zurück in den USA vermisste sie das strukturierte Leben im Militärdienst, den Drill. «Wenn du gehst, dann verlierst du die vier Wände, die alles ein wenig zusammenhalten, während dem du Deine Wunden heilst», sagt Gardner. Sie suchte Hilfe. Nun wohnt sie in einem Haus für obdachlose Veteranen im Zentrum von San Francisco in einem kleinen Zimmer, mit zwei Gitarren, einem Sofa und zwei Büchergestellen. Sie lebe wieder wie eine Studentin, sagt sie ernüchtert.

Trauma ist Trauma. Ob du vergewaltigt oder gezwungen worden bist, Menschen zu töten, die du nicht töten wolltest.
Autor: Amanda Gardner US-Kriegsveteranin

Viele andere bleiben auf der Strasse. Ehemalige Militärmitglieder sind doppelt so häufig obdachlos wie Zivilisten. Wenn sie nicht ehrenhaft entlassen wurden, haben sie kein Anrecht auf Rente und Unterstützung. Landesweit leben rund 50'000 Veteranen auf der Strasse. Jeder fünfte obdachlose Mann in den USA ist ein ehemaliger Soldat.

Kongress spricht Geld für Wohnraum

Leon Winston leitet das Behausungsprogramm der Organisation «Swords to Plowshares», die Veteranen hilft, eine Wohnung zu finden. Er sitzt in seinem Büro in einem alten Warenhaus in San Francisco. Über 100 Menschen arbeiten hier, viel mehr als noch vor zwei Jahren.

Der Kongress hat Geld gesprochen, um mehr Wohnraum für obdachlose Veteranen zu schaffen. Kalifornien, wo ein Viertel von ihnen lebt, stellte ebenfalls Mittel bereit. Das helfe, sagt Winston. «Wir haben eben ein Gebäude mit 130 Einheiten eröffnet. Wir füllen es jetzt mit den Veteranen, denen es am schlechtesten geht.»

Die Zahl der Hilfesuchenden aus der Zeit nach dem 11. September steigt jährlich an.
Autor: Leon Winston Leiter eines Behausungsprogramms für Veteranen

Aber das reicht nicht aus: An einem einzigen Tag hätten sie hier in den Strassen von San Francisco 800 obdachlose Veteranen gezählt, so Winston. «Die meisten von ihnen kämpfen mit psychischen Problemen. Bei den Irak- und Afghanistanveteranen ist die Zahl jener, die sogenannte posttraumatische Stresssymptome haben, besonders hoch.»

Audio
Von der US-Armee auf die Strasse
aus Echo der Zeit vom 25.02.2015. Bild: Symbolbild Reuters
abspielen. Laufzeit 6 Minuten 5 Sekunden.

«Eine der Besonderheiten dieser Kriege waren mehrfache Entsendungen ins Kriegsgebiet», sag Winston. Nicht so wie früher, wo jemand vielleicht einmal nach Vietnam odr Korea geschickt wurde. Das habe die Gefahr von Kopfverletzungen und traumatischen Erlebnissen erhöht. «Die Zahl der Hilfesuchenden aus der Zeit nach dem 11. September steigt jährlich an.»

Bezahlte College-Ausbildung nach Militäreinsatz

Veteranin Gardner ist New Yorkerin und ging nach den Anschlägen zur US-Marine. Um ihr Land zu verteidigen und weil das Militär Chancen bietet, nach dem Einsatz eine College-Ausbildung zahlt. Sie wurde nie in den Irak oder nach Afghanistan geschickt. Sie leistete als Militärkrankenschwester humanitäre Einsätze in Südostasien und in den USA, wo schwer Verwundete aus den Kriegen eingeflogen und behandelt wurden.

Auch damit hadert Gardner: «Man fühlt sich schuldig. Jemand anders musste dorthin. Jemand anders starb. Manchmal denke ich, dass ich das vielleicht hätte sein sollen. Was ist der Unterschied zwischen mir und dieser anderen Person? Das ist unheimlich, vor allem wenn es um einen Krieg geht, den ich nicht verstehe, wie im Irak.»

Gardner hofft, dass sich die US-Regierung stärker um die Probleme der Kriegsveteranen kümmert – bevor sie bald wieder junge Frauen und Männer in den nächsten Krieg schickt.

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