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Atomausstiegs-Initiative Heisse Luft aus AKWs – die leeren Drohungen der Stromkonzerne

In Deutschland drohen dem Staat Milliardenklagen. Die Atomindustrie will nach dem beschlossenen Atomausstieg die ihr entgehenden Gewinne einklagen. Auch in der Schweiz liebäugelt die Branche mit dieser Taktik und stellt Klagen in Aussicht. Für Rechts-Experten aber eher ein chancenloses Unterfangen.

Der deutsche Energieversorger RWE hat gegen die Atomausstiegs-Absichten der Regierung Merkel Verfassungsbeschwerde eingereicht. Milliarden soll das den deutschen Steuerzahler kosten. Auch in der Schweiz kursieren solche Töne. Jüngstes Beispiel ist die Axpo. Der Stromkonzern erwog noch letztes Jahr öffentlich, den Steuerzahler mit Schadenersatzklagen für die allenfalls vereitelte Abschreibung von Investitionen zur Kasse zu bitten.

Portrait des Wirtschaftsrechtlers Prof. Dr. Hans-Ueli Vogt.
Legende: Was AKW-Betreiber derzeit im Schilde führen, ist auch für Wirtschaftsrechtler wie Hans-Ueli Vogt schwer einzuschätzen. Keystone

Nichts und niemand steht über dem Gesetz

Was für viele nach einem Aufreger klingt, ist bei näherer Betrachtung gar nicht so akut. «Ich halte es für eher unwahrscheinlich, dass solchen Schadenersatzklagen in der Schweiz Erfolg beschieden wäre.» Das sagt Hans-Ueli Vogt. Er ist Professor für Privat- und Wirtschaftsrecht an der Universität Zürich und politisiert seit 2015 für die SVP im Nationalrat.

In der Schweiz existiere kein Recht, dass man darauf vertrauen könne, dass die Gesetze sich nicht ändern, erklärt der Rechtsexperte. Jede natürliche Person und auch jedes Unternehmen müsse damit rechnen, dass sich Gesetze jederzeit ändern können. Auch zu ihrem Nachteil. Anders als in Deutschland gibt es in der Schweiz auch kein Verfassungsgericht, vor dem man einklagen könnte, dass ein neues Gesetz die Verfassung verletze.

«Die Garantie, dass Gesetze verfassungskonform sind, obliegt in der Schweiz jedem einzelnen Parlamentarier und keinem Richter», erläutert Vogt die Unterschiede im internationalen Vergleich. «Hat das Parlament ein Gesetz erst einmal verabschiedet, muss es zwingend umgesetzt werden.» Deshalb glaubt Vogt nicht, dass die Stromkonzerne mit einer solchen Klage Erfolg haben könnten. Aber was ist, wenn sie eine Hintertüre finden?

Könnten ausländische Unternehmen klagen?

Im Fall der deutschen RWE interveniert nämlich nicht nur der Stromkonzern selbst. Auch der staatliche, schwedische Stromunternehmer Vattenfall will die Bundesrepublik vor ein Schiedsgericht der Weltbank zerren, weil es seine Felle davonschwimmen, beziehungsweise ein Investitionsschutz-Abkommen zwischen den beiden Ländern verletzt sieht.

Natürlich kennt Vogt nicht alle internationalen Vereinbarungen auswendig. Er könne sich allerdings nicht vorstellen, dass die Schweiz solche Abkommen getroffen haben sollte, ohne die Möglichkeit von Rechtsänderungen miteinbezogen zu haben.

Das Gleiche gilt für Klagen im Rahmen des Vertrauensschutzes. «Selbst wenn Bund und Kantone im Bewilligungsverfahren für AKW eine zeitliche Betriebsgarantie abgegeben haben sollten», sagt Vogt, «dürften sie da eine Klausel eingebaut haben, wonach die Garantie nur im Fall gleichbleibender Gesetzesgrundlagen gültig bleibt.»

Kein Schaden dank tiefer Strompreise

Eine weitere, ganze andere Perspektive der Rechtsbetrachtung liefert der Rechts-Professor Enrico Riva. Er hat 2015 ein entsprechendes Gutachten für die SP erstellt. Auch Riva sieht in seinem Gutachten kaum eine Gefahr für erfolgreiche Klagen. Denn dafür sei auch die Wirtschaftlichkeit der Werke angesichts des tiefen Strompreises zu berücksichtigen, sagt er.

Könne der produzierte Strom nur zu einem Preis abgesetzt werden, der unter den unmittelbar für die Stromerzeugung anfallenden Kosten liege, bilanziert Riva, führe die vorzeitige Einstellung des Betriebs auch nicht zu einem Schaden. Und wo kein Schaden ist, gibt es auch nichts zu klagen.

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