Worum geht es? Moschee statt evangelisch-reformiertes Gemeinschaftszentrum – dieser Plan sorgt in der Berner Hochhaus-Siedlung Wittigkofen für Diskussionen. Die Kirche will ihr Zentrum verkaufen, neuer Eigentümer soll die Stiftung Islamisches Zentrum Bern werden. Damit würde ein Treffpunkt des Quartiers künftig auch Gebetsraum für Musliminnen und Muslime sein. Das passt nicht allen in der Hochhaus-Siedlung im Osten Berns.
Wie ist die Stimmung im Quartier? Viele Anwohnende der Hochhaus-Siedlung reagieren zurückhaltend. Kaum jemand will ins Mikrofon sprechen, doch die Sorgen sind spürbar: Angst vor «fremden Leuten, die sich herumtreiben», sinkenden Immobilienwerten und dem Verlust eines neutralen Begegnungsorts der Kirchgemeinde. Tobias Barth, seit sieben Jahren im Quartier und bekennender, gläubiger Christ, hat einen offenen Brief lanciert: «Die Kirche hat einen Ort geschaffen, der alle verbindet. Wenn dort eine Moschee ist, fällt das weg.»
Was sind die Pläne des Islamischen Zentrums? Die Stiftung will das Gebäude für 1.8 Millionen Franken kaufen und einen Gebetsraum einrichten. Die reformierte Kirche bliebe als Untermieterin im Haus und könnte weiterhin Büros und einzelne Räume nutzen. «In der Umgebung lebt ein bunt durchmischtes Volk. Die Leute können dann selbst wählen, welche Räume sie besuchen wollen», sagt Ali Osman, Präsident des Islamischen Zentrums, der in Bern aufgewachsen ist.
Wer steckt hinter der islamischen Stiftung? Das Islamische Zentrum Bern gilt in Fachkreisen als moderat und offen. «Nachbarschaft, die Frieden schafft»: Unter diesem Motto habe der Verein schon 1984 eine gemeinsame Veranstaltung mit der kantonalen Kirche durchgeführt, so David Leutwiler, Beauftragter für religiöse Angelegenheiten des Kantons Bern. Über 40 Jahre war die Moschee in einer ehemaligen Tiefgarage im Länggass-Quartier untergebracht. Nach dem Auslaufen des Mietvertrags suchte die Stiftung lange nach neuen Räumlichkeiten. «Wir erhielten sehr viele Absagen», so Osman. Nun wurde er in Wittigkofen fündig, wie die Tamedia-Zeitungen zuerst berichteten.
Warum muss die Kirche den Treffpunkt verkaufen? Die reformierte Kirche kämpft wie an vielen anderen Orten mit Mitgliederschwund und sinkenden Einnahmen. «Wir müssen darum die Liegenschaft abgeben», sagt Rudolf Beyeler, Präsident Kleiner Kirchenrat Gesamtkirchgemeinde Bern. Man habe den Käufer sorgfältig geprüft und die kantonale Fachstelle für Religion beigezogen. «Es gab keine negativen Hinweise», sagt er.
Wie geht es weiter? In trockenen Tüchern ist die Moschee Wittigkofen noch längst nicht. Bislang ist erst eine Absichtserklärung unterzeichnet worden. Die Stiftung muss 1.8 Millionen Franken über Spenden auftreiben, um das Gebäude zu kaufen. Noch ist aber die Finanzierung nicht gesichert: Man habe bislang 50'000 Franken gesammelt. In der Hochhaus-Siedlung Wittigkofen geht es nicht nur um ein Gebäude, sondern um die Frage: Wie viel Veränderung verträgt ein Quartier? «Wir wollen das soziale Leben in Wittigkofen fördern, nicht verdrängen», so Osman.