Darum geht es: Der Bund will insgesamt 20 schwer verletzte Kinder aus dem Gazastreifen aufnehmen und in Schweizer Spitälern behandeln. Dafür hat er Anfang Oktober die Kantone um Behandlungsplätze gebeten. Während sich die Kantone Basel-Stadt, Tessin, Wallis und Genf aufnahmebereit zeigen, lehnten Kantone wie Aargau und Bern die Aufnahme ab. Der Zürcher Regierungsrat wird morgen darüber entscheiden – auch in anderen Kantonen wird über eine Aufnahme noch gerungen.
So läuft das Auswahlverfahren ab: Rund 19'000 Patienten hat die WHO für eine Evakuierung aus dem Gazastreifen vorgesehen – darunter rund 4000 schwer verletzte oder kranke Kinder. In die Schweiz sollen mit den 20 Kindern rund 80 Familienangehörige einreisen, so der Bund. Vor der Einreise müssen sie sich einer Sicherheitskontrolle unterziehen. In der Schweiz angekommen, werden sie ein Asylverfahren durchlaufen. Nach welchen Kriterien die Kinder ausgewählt werden oder wie der Bund die Personen überprüfen wird, dazu will sich das SEM nicht äussern. Auf Anfrage schreibt es: Die humanitäre Operation sei in Vorbereitung. Bund und Kantone stehen im Austausch und werden über die konkrete Umsetzung informieren.
Das sagen die Kantone: Der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati (SVP) begründete den ablehnenden Entscheid unter anderem mit sicherheitsrelevanten Unsicherheiten im Zusammenhang mit der Begleitung der Kinder. Es wird befürchtet, dass sich unter den 80 Angehörigen Personen mit Verbindungen zur Hamas befinden könnten. Andere Kantone wie Thurgau oder Zug lehnen die Aufnahme ab, weil es an den nötigen Strukturen fehlt. So schreibt der Kanton Thurgau auf Anfrage, er verfüge über kein spezialisiertes Kinderspital. Der Kanton Luzern verweist auf laufende Gespräche.
Politische Debatte im Kanton Zürich: Auch die Zürcher Gesundheitsdirektorin Nathalie Rickli (SVP) hat vor zwei Wochen die informelle Anfrage des Bundes abgelehnt. Dies sorgte innerhalb des Kantons für Empörung. Die Zürcher SP, die Grünen und die AL übten daraufhin mit zwei Fraktionserklärungen im Kantonsparlament Druck auf den Zürcher Gesamtregierungsrat aus. Die Grünen und die AL fordern, deutlich mehr als 20 Kinder aus dem Gazastreifen aufzunehmen. Entscheiden wird der Zürcher Regierungsrat am Mittwoch.
Onlinepetition der SP: Nach der Aussage Ricklis hat die SP zudem eine Onlinepetition gestartet, bei der 42'000 Unterschriften gesammelt wurden. Bei der Einreichung heute Mittag sagte Michèle Dünki-Bättig, Co-Präsidentin der SP des Kantons Zürich: «Es entspricht der langjährigen humanitären Tradition der Schweiz und des Kantons Zürich, dass wir helfen, wenn Not ist.» Der Kanton habe mit dem Kinderspital ein sehr renommiertes Spital. «Wir sind überzeugt, dass diese drei bis vier Kinder, die bei uns behandelt werden würden, kein Risiko für die Sicherheit darstellen werden.»
Humanitäre Aktionen der Schweiz: Seit 2013 beteiligt sich die Schweiz am Resettlement-Programm des UNO-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR), um besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen aus Krisenregionen eine sichere und legale Einreise in die Schweiz zu ermöglichen. Bisher wurden dadurch über 5000 Personen in der Schweiz aufgenommen. Neben den Resettlement-Programmen führt der Bund zusätzliche humanitäre Aktionen bei akuten Krisen durch, wie beim Bürgerkrieg in Syrien oder der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan.