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Schweiz «Die Zuversicht der syrischen Flüchtlinge beeindruckt mich tief»

Er reiste bereits dreimal in die Krisenregion, aus der viele andere flüchten: Pfarrer Andreas Goerlich aus der Gemeinde Pfunden bei Winterthur. Mit ein paar Tausend Euro im Koffer und einem offenen Ohr geht er in syrische Flüchtlingslager bei der Stadt Erbil im Nordirak, um zu helfen.

Herr Goerlich, was ist Ihre Motivation für die Unterstützung der syrischen Flüchtlinge?

Da gibt es zwei Gründe: Für ein Sabbatical habe ich vor ein paar Jahren, noch vor dem Krieg, für einige Monate in Damaskus in Syrien gearbeitet. Damals lernte ich einen Pfarrer-Kollegen kennen, der mich jetzt um Unterstützung in den Flüchtlingslagern gebeten hat.

Weiter sehe ich meine Arbeit als gelebtes Christentum: den Bedürftigen helfen. Dabei will ich aber nicht missionieren. Ich will die Flüchtlinge einfach unterstützen.

Viele Flüchtlinge sind so traumatisiert, dass sie keine Kraft mehr zum Zuhören haben.
Autor: Andreas Goerlich Pfarrer in Pfungen (ZH)

Was können Sie denn vor Ort überhaupt tun?

Durch meine Beziehungen kann ich mich gut in den Flüchtlingslagern bewegen und komme sehr nahe an die Leute heran. Ich sehe meine Hauptaufgabe in der Seelsorge. Die Leute leiden oft an Kriegstraumata und sind froh, wenn ihnen jemand zuhört. Es kann dabei hilfreich sein, dass ich von aussen komme: Viele Menschen sind so stark von ihrem eigenen Trauma eingenommen, dass sie keine Kraft mehr haben, auf die Schicksale der anderen Flüchtlinge einzugehen. Eine Frau zum Beispiel musste mit ansehen, wie ihr Bruder ermordet wurde. Sie selbst musste dann innerhalb von nur zehn Minuten aus ihrer Heimat flüchten. Das sind unglaubliche Schicksale und da möchte ich den Menschen helfen, einen Weg zu finden, damit umzugehen.

Sind dabei kulturelle und sprachliche Barrieren nicht ein Problem?

Zur Person

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Andreas Goerlich ist seit diesem Sommer reformierter Pfarrer in der Gemeinde Pfungen, in der Nähe von Winterthur. Er besuchte im Nordirak die Flüchtlingscamps Khabot, Gawilan und Kawergosk.

Doch, natürlich. Ich spreche zwar von meiner Zeit in Damaskus etwas Arabisch, aber das reicht nicht für die Seelsorge. Da arbeite ich mit Dolmetschern. Auch die kulturellen Barrieren sind sicher eine Hürde. Ich versuche aber den Menschen auch nicht eine Lösung für ihre Probleme aufzuzeigen. Viel mehr möchte ich zuhören und so den Kriegsflüchtlingen ermöglichen, ihren eigenen Weg zu finden.

Unterstützen Sie die Flüchtlinge auch materiell? Ist so eine Hilfe nicht einfach nur ein Tropfen auf den heissen Stein?

Ich habe jeweils bis zu 5000 Euro Spendengelder aus der Schweiz mitgenommen. Damit kaufte ich vor Ort Medikamente für die Flüchtlinge. Natürlich ist das ein Tropfen auf den heissen Stein. Aber ich denke, viele Tropfen füllen irgendwann auch eine Wanne.

Wie geht es den Flüchtlingen in den Camps?

Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Diejenigen, die schon lange hier sind, sind oft frustriert. Der Krieg dauert mittlerweile schon Jahre und sie sehnen sich nach Frieden und einem normalen Leben in ihrer Heimat.

Kinder strecken ihre Arme mit den Armbändern in die Höhe.
Legende: Kinder aus Pfungen haben Armbänder für syrische Flüchtlingskinder gebastelt. Andreas Goerlich

Flüchtlinge, die hier neu ankommen, aus Kobane zum Beispiel, sind schlicht und einfach froh, überlebt zu haben. Auch wenn sie so gut wie alles verloren haben, sagen sie oft: «Na und? Wir haben überlebt.» Allgemein beeindruckt mich die Würde, mit der die Menschen hier leben – trotz der schwierigen Situation und der teils grauenhaften Erlebnisse. Natürlich sind aber auch viele traumatisiert. Sie leiden unter Nervosität, starken Ängsten und Depressionen.

Wie sicher sind Sie und die Flüchtlinge vor dem Islamischen Staats in Erbil?

Eigentlich sehr sicher. Erbil ist die Hauptstadt der irakischen Kurden. Viele sprechen hier auch vom «autonomen Kurdistan». Die Kurden haben hier die Kontrolle und sorgen für Sicherheit. Ich habe gehört, dass sie auch Minen gelegt haben, um die Kämpfer des Islamischen Staats zurückzuhalten, falls sie angreifen. Ich habe mich eigentlich immer sicher gefühlt.

Sie sind letzten Samstag zurück in die Schweiz gekommen. Wann gehen Sie wieder in ein Flüchtlingslager?

Wenn ich genug Spenden habe, damit sich eine Reise lohnt. Den Flug und die Unterkunft bezahle ich selber. Aber ohne Geld für Medikamente lohnt sich der Aufwand nicht. Ich denke, dass ich im Februar wieder hingehe.

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