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ESC-Pokal-Rückgabe ESC-Boykott spaltet Europa – was heisst das für Israel?

Mehrere europäische Rundfunkanstalten werden die nächste Austragung des Eurovision Song Contest boykottieren. Und Nemo will die 2024 gewonnene Trophäe nicht mehr. In Israel empfindet man diese Entwicklungen als politisch motiviert.

Nemo kritisiert in einem Video auf Instagram, dass Israel nicht vom ESC ausgeschlossen wird. Wie ein Lauffeuer verbreitet sich die Nachricht. «Nemo to return trophy», schreibt die britische BBC. Auch der Guardian und zahlreiche andere internationale Portale berichten über Nemos Entscheid.

Die Moderatorin Gülsha hat Nemos Video geteilt und dazu geschrieben, sie verbeuge sich vor dieser Entscheidung und diesen Worten. Zoë Me hat die Schweiz dieses Jahr am ESC vertreten und kommentiert Nemos Video mit einem Herz, einem Blumenstrauss und einem High Five.

Doch es gibt auch Kritik. Hart ins Gericht mit Nemo geht etwa ein Kommentar in der deutschsprachigen Ausgabe des Magazins «Rolling Stone». «Nemo wird als Boykott-Hansel in die Annalen des ESC eingehen», titelt er. Nemo solle «sich einfach um seine Kunst kümmern», heisst es weiter.

Nicht nur Show

Wie viel Gewicht hat Nemos Geste wirklich? Es sei jedenfalls mehr als «nur Show», sagt Theresa Beyer, Musikredaktorin bei SRF Kultur. «Es ist ein symbolischer Akt. Und es ist auch ein Versuch von Nemo, so den ESC als Institution zu entwerten und gleichzeitig aber auch der Community gegenüber dankbar zu sein», sagt sie.

Menschenmenge mit palästinensischen Flaggen bei Protest
Legende: Proteste in Basel im Mai – Israels Teilnahme spaltet die Gemüter. Keystone / Peter Schneider

Doch die Geste sei nicht unbedeutend. Eine Trophäe zurückzugeben, gehöre zum Handlungsspielraum von Künstlerinnen und Künstlern. «Ich kann mir vorstellen, dass diese symbolisch aufgeladene Trophäe mal in einem Museum stehen wird», so Beyer.

Schwieriger für den ESC seien die Boykotte von fünf Rundfunkanstalten. Niederlande, Spanien, Slowenien, Irland und Island haben der nächstjährigen ESC-Austragung den Rücken gekehrt. «Dass so viele Länder aus dem gleichen politischen Grund auf eine Teilnahme verzichten, das hat es so noch nicht gegeben», sagt Beyer. Die Absagen würden an der Substanz des ESC zehren.

Der ESC signalisiert Zugehörigkeit

Wie blickt man in Israel auf die neusten Entwicklungen beim ESC? «Über den ESC wird hier viel berichtet», sagt Gisela Dachs, Journalistin in Tel Aviv. Der ESC sei für Israel wichtig, «vor allem, weil er eine kulturelle Zugehörigkeit zu Europa und zum Westen signalisiert». Gerade laufe eine neue Reality-Show, in der die nächste Kandidatin oder der nächste Kandidat gekürt werden solle.

Person in glitzerndem Outfit singt leidenschaftlich auf der Bühne.
Legende: Nemo trat dieses Jahr am ESC auf. Keystone / Georgios Kefalas

Viele Kulturschaffende seien sehr kritisch gegenüber der israelischen Regierung eingestellt. Doch sie würden die Boykottierung des ESC durch andere Länder vor allem als politisch motiviert und diskriminierend betrachten. Der ESC habe in Israel eine lange Tradition. Seit 1957 ist das Land Mitglied bei der European Broadcasting Union, welche den Wettbewerb austrägt. 1973 nahm Israel erstmals am ESC teil, zweimal hat es zum Sieg gereicht.

«In Israel beobachtet man, was in Europa debattiert wird», sagt Dachs. Bereits werde gewitzelt, dass Israel am Ende ganz alleine am Wettbewerb teilnehmen und sich selber zwölf Punkte geben werde.

Sichtbare gesellschaftliche Spaltung

Während man sich in Israel ausgegrenzt fühlt, streitet man in Europa munter weiter über den ESC. Für Theresa Beyer zeigt die Debatte vor allem, «wie uneinig man sich in Europa ist». Es sei nicht ungewöhnlich, dass Popkultur Politik und Gesellschaft widerspiegele. In Zeiten wie heute, mit so einer spürbaren gesellschaftlichen Spaltung, sei der ESC ein Brennglas, welches diese Konflikte sichtbar mache.

News Plus, 12.12.2025, 16 Uhr ; 

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