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Getöse um Einbürgerung Gericht rügt Thurgauer Parlament: Syrer soll eingebürgert werden

Der Thurgauer Grosse Rat verweigerte die Einbürgerung eines Syrers entgegen eines Bundesgerichtsurteils. Das Verwaltungsgericht korrigiert nun und ordnet die Einbürgerung an. Das sind die Gründe.

Im Februar lehnte das Thurgauer Kantonsparlament, der Grosse Rat, das Gesuch eines Mannes mit syrischer Staatsbürgerschaft auf Einbürgerung deutlich ab. Als Gründe wurden seine Schulden und seine angeblich «ungenügenden» Deutschkenntnisse genannt.

Obwohl das Bundesgericht diese Einwände bereits als unzulässig beurteilt hatte, hielt die Mehrheit des Parlaments daran fest. Viele waren der Meinung, das Urteil des höchsten Gerichts sei nicht verbindlich. Der Syrer reichte daraufhin mit seinem Anwalt Beschwerde beim Thurgauer Verwaltungsgericht ein.

Bundesgerichtsurteil gilt als wegweisend

Das Verwaltungsgericht weist nun das Kantonsparlamant an, den heute 47-Jährigen einzubürgern. Im Urteil heisst es: Der Grosse Rat habe zu viel Gewicht auf die «materiellen Einbürgerungs-Voraussetzungen» gelegt, also eben auf die finanziellen Aspekte. Der Einbürgerung des Syrers stehe «nichts Relevantes im Weg».

Parteien uneins über Gerichtsurteil

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Das Thurgauer Verwaltungsgericht hat das Kantonsparlament im Fall der verweigerten Einbürgerung eines Syrers gerüffelt. Vor acht Monaten hatte der Grosse Rat das Gesuch mit deutlicher Mehrheit abgelehnt – 72 Nein- gegenüber 42 Ja-Stimmen. Die Rechtsparteien stimmten geschlossen gegen die Einbürgerung, während die übrigen Fraktionen gespalten waren. Die Sozialdemokraten sprachen sich mehrheitlich für die Erteilung des Kantonsbürgerrechts aus.

SRF hat bei den Parteien nachgefragt, wie sie den Entscheid des Verwaltungsgerichts beurteilen, das die Ablehnung für unzulässig erklärt und das Parlament auffordert, den Mann einzubürgern.

Bei SP und FDP hofft man, dass mit dem Urteil nun Klarheit herrscht und der Grosse Rat dem Gesuch im zweiten Anlauf zustimmt. Für SP-Fraktionspräsidentin Barbara Dätwyler kommt der Entscheid nicht überraschend: «Wenn das Bundesgericht als oberste Instanz sagt, diese Einbürgerung ist rechtens, dann soll nicht ein Parlament kommen und behaupten, das Urteil sei nicht gültig.»

Anders sieht es die SVP. Fraktionspräsident Hermann Lei zeigt sich erstaunt darüber, dass das Bundesgerichtsurteil bindend sein soll. Gegenüber SRF sagt er: «Das Verwaltungsgericht kann uns nicht vorschreiben, wie wir abstimmen – das ist wegen der Gewaltentrennung unmöglich.» Die SVP will das Urteil nun genau prüfen und behält sich vor, den Fall ans Bundesgericht weiterzuziehen.

Die Schulden von mehreren Tausend Franken bei Behörden alleine würden ihn nicht als Kandidaten für den Schweizer Pass disqualifizieren, zumal er den grössten Teil zurückbezahlt und ihm die betroffene Gemeinde für den Rest einen Schuldschein ausgestellt habe, ruft das Verwaltungsgericht in Erinnerung. Dass er genügend gut Deutsch spreche, stehe ausser Frage. Er übersetzte als Dolmetscher an Gerichten im Thurgau.

Eine Ablehnung des Gesuchs wäre nur dann rechtens gewesen, wenn sich der Mann in jüngster Vergangenheit etwas hätte zuschulden kommen lassen. Dies sei laut Verwaltungsgericht nicht der Fall, weshalb sich an der Ausgangslage seit dem Bundesgerichtsurteil vor zwei Jahren und der Erteilung der eidgenössischen Einbürgerungsbewilligung im Mai 2024 durch das Staatssekretariat für Migration nichts Wesentliches verändert habe.

Frist verpasst – neuer Antrag nötig

Das Verwaltungsgericht kommt – wie zuvor das Bundesgericht – zum Schluss, dass der Syrer die Voraussetzungen für den Schweizer Pass erfüllt. Die Schulden stellten «höchstens einen geringfügigen Mangel» dar, der durch andere Kriterien ausreichend kompensiert werde. Für das Kantonsbürgerrecht gelten keine anderen Regeln als für das Gemeindebürgerrecht. Das Bundesgerichtsurteil sei daher wegweisend.

Einbürgerungsgesuch mit langer Vorgeschichte

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Seit sieben Jahren kämpft ein Syrer um das Schweizer Bürgerrecht. Der heute 47-Jährige lebte von 2012 bis 2024 in Romanshorn und wohnt inzwischen mit seinen beiden Kindern und seiner zweiten Frau im Kanton Zürich.

2020 verweigerte ihm die Einbürgerungskommission von Romanshorn das Gemeindebürgerrecht. Im Februar 2025 lehnte auch der Thurgauer Grosse Rat das Kantonsbürgerrecht ab – mit 72 Nein- gegen 42 Ja-Stimmen bei acht Enthaltungen.

Das Parlament folgte damit der Empfehlung einer knappen Mehrheit der Justizkommission, obwohl das Bundesgericht bereits 2023 die Ablehnung durch die Gemeinde als unzulässig beurteilt hatte.

Das Verwaltungsgericht weist also den Fall zurück ans Kantonsparlament und verlangt, den Syrer im zweiten Anlauf einzubürgern. Eine direkte Einbürgerung durch das Gericht ist nicht möglich, da die eidgenössische Einbürgerungsbewilligung inzwischen erloschen ist. Der Gesuchsteller muss diese zunächst erneut beantragen. Die Bewilligung gilt jeweils nur ein Jahr – innerhalb dieser Frist muss das Kantonsbürgerrecht erteilt werden. Diese Voraussetzung ist derzeit nicht erfüllt.

Kosten zulasten des Kantons

Das Verwaltungsgericht spricht dem Gesuchsteller eine Entschädigung von knapp 5500 Franken zu und auferlegt dem Kanton Thurgau die Verfahrenskosten von 2000 Franken.

Regionaljournal Ostschweiz, 14.10.2025; 17:30 Uhr ; 

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