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Schweiz «Giffers ist ein Extremfall»

In Giffers (FR) hat die Bevölkerung aus den Medien erfahren, dass in ihrem Dorf 2017 ein Bundesasylzentrum seinen Betrieb aufnehmen wird. Warum ist die Gemeinde erst so spät informiert worden? SRF News hat beim Staatssekretariat für Migration nachgefragt.

Bis zu 300 Asylsuchende sollen ab 2017 im Seminarzentrum Guglera im freiburgischen Giffers untergebracht werden. Von den Plänen des Staatsekretariats für Migration (SEM) haben die 1500 Einwohner aus der Zeitung erfahren.

Ist der Fall Giffers ein Beispiel missratener Kommunikation, oder war die späte Information Absicht? SRF News hat bei Martin Reichlin, stellvertretender Chef Information und Kommunikation bei SEM, nachgefragt.

SRF News: Das SEM hat die Gemeinde Giffers vor vollendete Tatsachen gestellt. Warum?

Martin Reichlin: Die Situation in Giffers ist insofern speziell, als der Eigentümer der Liegenschaft ein Privater ist, der einen engen Terminplan vorgab. In der Regel gehören die Gebäude von Asylzentren der öffentlichen Hand. Wir sind Ende Oktober vom Kanton Freiburg auf das Gebäude aufmerksam gemacht worden. Bereits Mitte Januar stand fest: Das Gebäude erfüllt die Bedingungen für ein Bundesasylzentrum und ein Kauf ist finanzierbar. Dies war der frühest mögliche Zeitpunkt, um auf die Gemeinde zuzugehen – und das haben wir zusammen mit dem Kanton Freiburg umgehend gemacht.

Wir haben die Gemeinde zum frühest möglichen Zeitpunkt involviert.
Autor: Martin Reichlin Staatssekretariat für Migration

Stimmt es, dass die Bevölkerung via Medien informiert wurde?

Mit dem Gemeinderat konnten wir uns am 9. Februar treffen. Bereits am nächsten Tag wurden Flyer zur Information der Bevölkerung aufgesetzt und verschickt. Diesen haben die betroffenen Bewohner am Freitag, 13. Februar, erhalten. Darin wurde auch zur Informationsveranstaltung eingeladen. Gleichentags haben auch die Medien darüber berichtet.

Hätte man Giffers nicht bereits im Oktober oder November involvieren müssen?

Im Hinblick auf die geplanten Bundesasylzentren haben wir über 100 Standorte geprüft. Mittlerweile sind nur noch ungefähr 20 Standorte im Gespräch. Wir können erst über einen Standort informieren, wenn wir wissen, dass er die Bedingungen für ein Bundesasylzentrum grundsätzlich erfüllt. Dann suchen wir zusammen mit den Kantonen rasch das Gespräch mit den Gemeinden und stellen uns so früh wie möglich den Fragen der Bevölkerung.

Saal mit vielen Menschen
Legende: Die Turnhalle in Giffers war an der Informationsveranstaltung proppenvoll. Keystone

Trotzdem fühlt sich Giffers völlig überrumpelt.

Das Gefühl der Bevölkerung von Giffers können wir gut nachvollziehen. Doch das Vorgehen in Giffers ist nicht der Normalfall, sondern die Ausnahme, weil der Eigentümer des Gebäudes ein Privater ist. Es galt, seine berechtigten Anliegen zu berücksichtigen. Ich kann Ihnen versichern: Die Gemeinde wurde so früh wie möglich involviert und wir haben so rasch als möglich eine Informationsveranstaltung für die Bevölkerung durchgeführt.

Wie verläuft der Informationsprozess, wenn ein Gebäude aus öffentlicher Hand stammt?

In der Regel kontaktieren wir mit den Kantonen die potentiellen Standortgemeinden schon früh, um ihnen unsere Absichten zu erläutern. Anschliessend kann es mehrere Wochen oder Monate dauern, bis alle Fragen diskutiert sind und man sich grundlegend geeinigt hat. Im Zuge dieser Einigung findet dann eine Information der Öffentlichkeit statt – abgestimmt auf die Bedürfnisse des Standortes.

«Standortsuche kommt voran»

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Ursprünglich sollten alle 15 bis 17 Standorte für Bundesasylzentren bis Ende 2014 feststehen. Nun ist erst Giffers bekannt. Doch «Kantone und Gemeinden sowie Privatpersonen haben dem Bund deutlich mehr Standortoptionen als erwartet zur Prüfung unterbreitet», erklärt Martin Reichlin. In den nächsten Monaten würden laufend neue Standorte genannt.

Würde eine frühe Einbindung der Bevölkerung nicht für weniger Aufregung sorgen?

Gemäss unserer Erfahrung reagiert die Bevölkerung häufig skeptisch, denn sie hat Befürchtungen und Ängste. Diese nehmen wir ernst. Wir begegnen ihnen damit, dass wir Anwohner und Gemeinden in die Vorbereitungen und den Betrieb der Asylzentren einbeziehen. Neben den Informationsveranstaltungen spielen dabei die Begleitgruppen eine wichtige Rolle. Dorf treffen sich regelmässig Vertreter der Bevölkerung, des Gemeinderats, der Polizei, der Sicherheits- und Betreuungsfirmen und des SEM. Sie sprechen Probleme direkt an und diskutieren Lösungen. Unsere Erfahrungen mit sämtlichen Standorten zeigen, dass anfängliche Befürchtungen verschwinden, sobald der Betrieb in einem Asylzentrum des Bundes läuft. Alle zehn heute betriebenen Zentren des Bundes laufen problemlos.

In Giffers treffen 300 Asylsuchende auf 1500 Dorfbewohner. Letztere sprechen von einem «Asylanten-Tsunami». Müsste man ein solches Verhältnis bei der Auswahl der Zentren nicht vermeiden?

Das Verhältnis ist kein Kriterium für einen guten Betrieb. Entscheidend dafür sind Beschäftigungsprogamme, Tagesstrukturen, Betreuungskonzepte und Sicherheitskonzepte.

Die in Giffers verfügbare Option ist die beste.
Autor: Martin Reichlin Staatssekretariat für Migration

Trotzdem: Wäre es nicht besser, man würde Bundesasylzentren entweder abgeschieden auf dem Land oder in einer Stadt etablieren?

An der nationalen Asylkonferenz haben Bund, Kantone, Städte und Gemeinden einstimmig die Rahmenbedingungen für Bundesasylzentren definiert: entsprechende Grösse, ganzjährig gut erreichbare Standorte, funktionale Anlagen, Wirtschaftlichkeit und die Gewährleistung einer angemessenen Verteilung der Zentren innerhalb der Asylregionen. Der Kanton Freiburg hat verschiedene Standorte geprüft. Nach dieser Prüfung hat sich gezeigt: Die in Giffers verfügbare Option ist die beste.

Wenn sich eine Gemeinde partout querstellt bei einem geplanten Bundesasylzentrum – wer hat das letzte Wort?

In der Vorlage zur Revision des Asylgesetzes ist ein Plangenehmigungsverfahren vorgesehen. Die Einhaltung der verschiedenen, im Baubewilligungsverfahren anwendbaren bundes- und kantonalrechtlichen Bestimmungen würde dabei von einer einzigen Behörde erstinstanzlich beurteilt. Vorgeschlagen dafür wird das Generalsekretariat des EJPD. Dabei würden mit der Plangenehmigung sämtliche nach Bundesrecht erforderlichen Bewilligungen erteilt.

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