Am 30. November stimmen die Zürcher und Zürcherinnen über eine Verkehrsvorlage ab, die es in sich hat: Künftig soll nicht mehr die Stadt das letzte Wort haben bei der Einführung von Tempo 30 auf Hauptachsen, sondern der Kanton.
Doch jetzt drückt die Stadt mit der Einführung von Tempo 30 aufs Gaspedal: Rund um den Hauptbahnhof Zürich soll auf einem Dutzend Strassen in Zukunft Tempo 30 gelten statt 50.
Der Grund: In den letzten fünf Jahren sei es im Umfeld des Zürcher Hauptbahnhofs zu über 700 Verkehrsunfällen gekommen, heisst es seitens der Stadt. «Wir wollen die Verkehrssicherheit erhöhen», sagt Nadja Häberli von der städtischen Dienstabteilung Verkehr. Betroffen sind unter anderem Abschnitte wie die Löwenstrasse, die Waisenhausstrasse und das Limmatquai.
Automobil Club reicht Einsprache ein
Der Automobil Club der Schweiz (ACS) kritisiert die Pläne scharf. Viele der betroffenen Strassen seien wichtige Hauptachsen, die für den übergeordneten Verkehr gedacht seien. Eine generelle Temporeduktion auf 30 km/h würde den Verkehrsfluss stark behindern, sagt Ruth Enzler, Präsidentin der ACS Sektion Zürich.
Am Hauptbahnhof wohnt niemand und es geht auch kein Kind zur Schule.
Sie hätten deshalb bereits Einsprache erhoben: «Wir erhoffen uns eine Beurteilung vom Gericht, ob es rund um den Hauptbahnhof überhaupt sinnvoll ist, mit Tempo 30 zu verkehren.» Am Hauptbahnhof greife eine Lärmschutzbegründung nicht, dort wohne auch niemand und es würden keine Kinder zur Schule gehen.
SVP spricht von Salamitaktik
Auch bürgerliche Parteien wie SVP, FDP und Mitte werfen der Stadt vor, unter dem Vorwand der Sicherheit eine ideologisch motivierte Verkehrspolitik zu betreiben. SVP-Gemeinderat Stephan Iten kritisiert vor allem den Zeitpunkt, unmittelbar vor dem nächsten Abstimmungssonntag: «Dort wird bestimmt, ob auf kantonalen Strassen weiterhin Tempo 50 beibehalten werden soll.»
Das Argument der Verkehrssicherheit ist für ihn deshalb nur ein vorgeschobenes. «Die Stadt Zürich will mit einer Salamitaktik überall Tempo 30 einführen – das geht einfach nicht.»
Mit der Abstimmung hat diese Verfügung nichts zu tun.
Bei der Stadt wehrt man sich gegen den Vorwurf, vor der Abstimmung noch schnell Tatsachen schaffen zu wollen: «Mit der Abstimmung hat diese Verfügung nichts zu tun», sagt Nadja Häberli. Die Stadt habe bereits 2024 mit den Vorbereitungen zur Verfügung begonnen. «Ursprünglich wollten wir sie mit dem Strassenbauprojekt in der Uraniastrasse koordinieren.» Weil sich dieses verzögere, werde die Verfügung nun separat publiziert.
Im September hatte der Stadtrat ein umfassendes Konzept für den Raum rund um den Hauptbahnhof vorgestellt. Dieser soll grüner und autoärmer werden – mit neuen Grünflächen zwischen Gessnerbrücke, Platzspitz und dem Papierwerd-Areal. Der motorisierte Individualverkehr soll weitgehend weichen, erlaubt wären nur noch Zufahrten für Lieferdienste, Sanität, Taxis und Kurzhaltebereiche.