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Neue Fakten zum Ammann-Steuerdeal
Aus Rundschau vom 10.09.2014.
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Schweiz Neue Fakten zum Ammann-Steuerdeal: Steuerverwaltung unter Druck

Die Ammann-Gruppe lagerte über Jahrzehnte Firmenvermögen in Offshore-Paradiesen, um Steuern zu sparen. Alles sei korrekt verlaufen, hielt die Berner Steuerverwaltung in ihrer Prüfung des Falles fest. Doch ein neues Dokument zeigt ein anderes Bild.

Die Ammann-Gruppe lagerte jahrelang über 250 Millionen Franken steuerfrei in den Offshore-Paradiesen Jersey und Luxemburg. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern segnete das Konstrukt ab. Vor Ort habe es «operative und verwaltungsrätliche Tätigkeiten» gegeben, sagt die Ammann-Gruppe.

Dokument aufgetaucht

Doch ein Dokument der Eidgenössischen Steuerverwaltung ESTV vom Februar 2014, das der «Rundschau» vorliegt, wirft ein neues Licht auf den Steuerdeal des Kantons Bern mit der Ammann-Gruppe. Ein Inspektor der ESTV kommt zum Schluss, dass die Firmengelder gar nicht in Jersey und Luxemburg bewirtschaftet wurden, sondern am Firmenhauptsitz der Ammann-Gruppe in Langenthal (BE). Erwähnt ist ein Inspektionsprotokoll von 2005: «Die Depots…wurden bis kürzlich von Herrn H. bewirtschaftet». H. ist Finanzmanager der Ammann-Gruppe, und er arbeitet in Langenthal.

Der renommierte Steuerexperte Werner Räber sagt nach Sichtung des Dokumentes gegenüber der «Rundschau», das seien reine Briefkastenfirmen gewesen. «Diese Gesellschaften hätten das Geld in der Schweiz versteuern müssen, weil der tatsächliche Sitz dieser Gesellschaften in der Schweiz war.»

Steuerexperte widerspricht

Die Ammann-Gruppe bestreitet dies. Die Berner Steuerverwaltung sei in ihrer Untersuchung zum Schluss gekommen, alles sei gesetzeskonform gewesen. Sie schreibt: «In einer Konzernstruktur sind die ausländischen Tochtergesellschaften in ihren Entscheiden nicht autonom, sondern an Weisungen der Zentrale gebunden. Im Übrigen haben wir den Steuerbehörden die Führung und das Management der Finanzgesellschaften im Detail offengelegt.»

Tatsächlich hat die Berner Steuerverwaltung im Jahr 2007 eine Vereinbarung, ein sogenanntes Ruling, mit der Ammann-Gruppe getroffen und das Steuerkonstrukt bewilligt.

Steuerexperte Räber sagt, die Berner Steuerverwaltung hätte die Vereinbarung mit der Ammann-Gruppe nicht unterzeichnen dürfen: «Wenn man das genauer angeschaut hätte, hätte man das nicht absegnen dürfen. Denn die Voraussetzungen, welche für solche Offshore-Gesellschaften erfüllt werden müssen, sind ganz klar nicht gegeben.» Denn diese Gesellschaften hätten an Ort und Stelle ein Büro vorweisen müssen, wo Angestellte auch eigene Entscheide fällen konnten. In diesem konkreten Fall seien dies Entscheide über Vermögensanlagen gewesen.

ESTV war nicht einverstanden

Das Dokument zeigt auch: Die ESTV sah konkrete Ansatzpunkte, das Ruling mit der Ammann-Gruppe rückwirkend aufzuheben. Die ESTV hätte dafür vor Bundesverwaltungsgericht Klage einreichen müssen. Doch wäre der Ausgang dieser Klage ungewiss gewesen. Weiter: «Der ESTV lagen bereits vor zig Jahren Hinweise vor, die eine genauere Überprüfung der Konstruktion hätten zur Folge haben sollen», schrieb der Steuerkommissar selbstkritisch.

Die ESTV verzichtete in der Folge auf eine gerichtliche Intervention und ging nicht gegen die Vereinbarung vor – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die Ammann-Tochter in Jersey aufgelöst und das Geld unverzüglich in die Schweiz überführt wird. Ferner habe die Berner Steuerbehörde die Ammann-Gruppe darüber zu unterrichten, dass die ESTV mit dem Ruling nicht einverstanden gewesen sei. Sowohl die Berner Steuerverwaltung als auch die ESTV berufen sich auf das Steuergeheimnis und kommentieren den Sachverhalt nicht.

Politiker wollen Klarheit

Bereits im Februar 2014, als die «Rundschau» erstmals über die Offshore-Firmen der Ammann-Gruppe berichtete, wollte die Finanzkommission des Berner Grossen Rats Klarheit über die Veranlagungspraxis der Berner Steuerverwaltung. Doch das gelang nicht. Eine Befragung des Chefs der Berner Steuerverwaltung, Bruno Knüsel, führte Mitte Februar 2014 zum Eklat. Der Steuerverwalter drohte den Saal zu verlassen und nur noch über seinen Anwalt zu kommunizieren. Das geht aus dem entsprechenden Ratsprotokoll hervor.

Aufgrund der neuen Fakten fordern Politiker jetzt lückenlose Aufklärung: «Wenn es sich nun herausstellt, dass man bei der Berner Steuerverwaltung das Gesetz einfach schlicht missachtet hat, dann muss das auch personelle Konsequenzen haben,», sagt SP-Grossrat Roland Naef, «denn wir dürfen nicht versuchen, andere Kantone auszustechen, indem wir das Gesetz nicht umsetzen.» Es gehe um eine nachhaltige Steuerpolitik, die im Kanton Bern umgesetzt werden müsse, sagt GLP-Grossrat Thomas Brönnimann: «Den KMUs, die ja auch Arbeitsplätze schaffen, stehen die Haare zu Berge, wenn gewisse Firmen aufgrund ihrer Bedeutung solche Deals abschliessen können.»

Bundesrat Johann Schneider-Ammann wollte sich zum neuen Dokument nicht äussern. Er habe schon alles dazu gesagt. An der «Rundschau»-Theke nahm Jürg Iseli, Präsident der Berner Finanzkommission, live zu den neuen Fakten Stellung.

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