Die Forschenden waren überrascht, sagt Klimawissenschaftler Reto Knutti von der ETH Zürich: «Die Schweiz ist ein Hotspot des Klimawandels, wir haben heute bereits eine Erwärmung von 2.9 Grad, das ist doppelt so viel wie weltweit – mehr als man noch vor wenigen Jahren erwartet hat.»
Es gibt verschiedene Gründe, warum sich die Schweiz und andere Ländern Mitteleuropas stärker erwärmen: Landflächen erhitzen sich generell schneller als die Ozeane, aber auch das Verschwinden von Schnee und Gletschereis trägt dazu bei, dass weniger Sonnenstrahlen ins All reflektiert werden. Im Sommer verstärkt die Austrocknung des Bodens die Hitzewellen. Zudem ist die Luftqualität besser geworden: Es schweben also weniger Partikel in der Luft und damit wird nochmals weniger Sonnenlicht zurückgeworfen.
Plus 3 Grad heisst für die Schweiz plus 4.9 Grad
Die Schweiz erwärmt sich also schneller und das gehe auch so weiter, sagt Knutti, der im Auftrag des Bundesrates zusammen mit 50 weiteren Forschenden von der ETH und vom Bundesamt für Meteorologie die Klimaszenarien überarbeitet hat: «Mit den derzeitigen Gesetzen steuern wir weltweit gesehen auf 3 Grad Erwärmung hin, für die Schweiz würde das Plus 4.9 Grad bedeuten.»
Was das für Auswirkungen hat, zeigen etwa die Modellierungen der Nullgradgrenze im Winter: Um 1900 lag sie noch auf der Höhe von Zürich. «In einer 3-Grad-Welt hingegen liegt die Nullgradgrenze im Winter dann auf der Höhe von Andermatt», sagt Regula Mülchi von MeteoSchweiz. Das wäre ein Anstieg von 1 Kilometer. Für die Gletscher, die Natur und die Schweizer Skigebiete hätte das enorme Auswirkungen.
Eindrücklich sind die Veränderungen auch im Mittelland, insbesondere in den Städten. So zeigen die detaillierten Modellierungen der Forschenden, dass sich die Zahl der Tropennächte zum Beispiel in der Zürcher Innenstadt von bisher etwa 8 pro Jahr verfünffachen würde in einer 3-Grad-Welt.
«Selbst in den grünen Aussenbezirken der Stadt», sagt Forscherin Mülchi, «selbst da läge die Zahl der Nächte, in denen das Thermometer nicht unter 20 Grad fällt, bei durchschnittlich 18 pro Jahr».
«Jedes Zehntelgrad zählt»
Kurz gesagt zeigt der neue Bericht: Alles, was wir in den letzten Jahren erlebt haben – Starkniederschläge, Sommertrockenheit, extreme Hitze und deutlich weniger Schnee – all das wird noch einmal ganz andere Ausmasse annehmen in der Schweiz, wenn es die Menschheit nicht schafft, die Klimaerwärmung deutlich und schnell zu bremsen.
Das mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbarte Ziel von maximal 1.5-Grad Erwärmung ist unterdessen kaum mehr einzuhalten. Das sagen die meisten Forschenden heute. «Trotzdem dürfen wir nicht lockerlassen», sagt ETH-Klimawissenschaftler Reto Knutti, «jedes Zehntelgrad Anstieg, das wir vermeiden können, ist wertvoll.»