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Boomende Privatschulen Nur das Beste für mein Kind

Wer es sich leisten kann, schickt seine Kinder immer öfter an eine Privatschule. Das gefährdet den sozialen Zusammenhalt, findet Bildungsexperte Carl Bossard.

Privatschulen in der Schweiz boomen. Allein der Kanton Zürich zählt mehr als 150 Institutionen – das sind 20 Prozent mehr als noch vor sieben Jahren. In manchen Gemeinden im «Speckgürtel» von Zürich, aber auch im Kanton Zug, besucht mittlerweile fast jedes vierte Kind eine private Einrichtung. Die regionalen Unterschiede sind aber gross: Schweizweit geht «nur» rund jedes zwanzigste Kind in eine Privatschule.

Die Eltern haben Angst, dass das Kind (an einer öffentlichen Schule) individuell nicht optimal gefördert wird.

Der Gymnasiallehrer Carl Bossard hat sich intensiv mit dem Phänomen beschäftigt. Er bestätigt: «Der Trend hat sich in den letzten Jahren verstärkt.» Oft seien es Einzelkinder, die von Eltern an Privatschulen geschickt würden. Und ihre Motive sind – aus Elternsicht – durchaus nachvollziehbar: «Sie wollen das Beste für ihr Kind».

Der Eindruck, dass dieses «Beste» nur von Privatschulen geleistet werden kann, ist aber auch Ängsten geschuldet. «Öffentliche Schulen mussten in den letzten Jahren viele Aufgaben zusätzlich übernehmen, etwa die Integration und Frühsprachen. Das alles fordert, und vielleicht überfordert es die Schulen», sagt Bossard.

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Weshalb werden immer mehr Kinder in Privatschulen unterrichtet und was hat das für Auswirkungen auf unsere Gesellschaft? SRF 4 News widmet dem Thema diese Woche einen Schwerpunkt. Die Beiträge können Sie hier nachhören.

Reaktion auf gesellschaftliche Entwicklung

In einer zunehmend multikulturellen Gesellschaft hat sich der Auftrag der Schule verändert. «Sie ist heute fast die einzige Institution, die integrieren kann», sagt Bossard. Gleichzeitig sollten die Schulen aber «individualisieren» und die Schüler gemeinschaftsfähig machen: «Das ist anspruchsvoll», räumt der Gymnasiallehrer ein.

Bossard, Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule Zug, macht einen gesellschaftlichen Trend mitverantwortlich dafür, dass Privatschulen Zulauf verzeichnen: «Es gibt eine Angst vor dem sozialen Abstieg (…) Die Eltern fürchten, dass das Kind an einer öffentlichen Schule individuell nicht optimal gefördert wird.»

Privatschulen dürfen nicht nur Menschen mit grossem Portemonnaie offenstehen.

Der langjährige Lehrer beobachtet auch im Alltag, dass viele Eltern genauer hinschauen, was die Schule macht: «Heute muss jeder Lehrer ein bis zwei Elternabende durchführen und die Eltern regelmässig informieren. Die Erwartungen sind grösser geworden.»

Drohen der Schweiz britische Verhältnisse?

Die Angst, das eigene Kind erhalte an einer Volksschule nicht die beste Ausbildung, mag manche Eltern umtreiben. Doch Privatschulen kosten. Und sie bleiben damit den oberen Einkommensschichten vorbehalten. Wird die Chancengleichheit geritzt?

Schüler streckt den Finger, Lehrerin im Hintergrund.
Legende: Kontrastprogramm: Staatliche Schulen stehen vor Herausforderungen, doch sie gewährleisten den sozialen Kitt. Keystone

Bossard zeigt sich besorgt, auch wenn man nicht pauschalisieren könne: Die Gefahr einer Zweiklassengesellschaft sei da. «Wenn sich Kinder an Privatschulen zunehmend separieren, fehlt uns etwas, was für den Schweizer Staat zentral ist: die soziale Durchmischung.»

Im Gegensatz etwa zum elitären englischen Bildungssystem blickten auch Bundesräte auf eine Zeit in der Volksschule zurück: «Englische Politiker haben praktisch alle private Schulen besucht, und dadurch vielleicht auch die Verbindung zum Normalbürger verloren.»

Wie Privatschulen die Volksschule bereichern können

Nichtsdestotrotz: Der Pädagoge will Privatschulen ihre Existenzberechtigung nicht absprechen. Es habe sie immer gegeben, und es müsse sie auch geben. «Aus diesen Schulen ist ganz viel Neues und Innovatives in die staatlichen Schulen eingeflossen.»

Bossard selbst hat in seiner langen Karriere auch an einer Privatschule unterrichtet: «Ich war begeistert davon, welche Freiheiten wir in der Weiterentwicklung unserer jungen Menschen hatten.» Die Schulen müssten aber, schliesst Bossard, allen offenstehen, «und nicht nur denen mit dem grossen Portemonnaie.»

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