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Staatsanwälte und Polizisten dürfen hacken
Aus Echo der Zeit vom 17.06.2015. Bild: Keystone
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Session Nationalrat sagt Ja zu Staatstrojanern

Die grosse Kammer hat entschieden, die Überwachung mutmasslicher Straftäter auf den Stand der technischen Möglichkeiten zu bringen. Die Strafbehörden können nun mit sogenannten Staatstrojanern neu Skype-Telefonie mithören oder Whats-App-Mitteilungen mitlesen.

Der Nationalrat hat einer Totalrevision des Bundesgesetzes betreffend des Post- und Fernmeldeverkehrs (BÜPF) mit 110 zu 65 Stimmen bei neun Enthaltungen zugestimmt.

Die Revision zielt insbesondere darauf ab, eine gesetzliche Grundlage für die Überwachung des verschlüsselten Fernmeldeverkehr (beispielsweise E-Mails oder Internet-Telefonie) zu schaffen. Zudem will der Bundesrat die Speicherung der Daten verlängern.

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Daniel Vischer: «Daten werden aufs Geratewohl gespeichert.»
Aus News-Clip vom 17.06.2015.
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Polizei und Staatsanwälte dürfen die hierbei zusätzlich erfassten Daten nur nach Eröffnung eines Strafverfahrens abrufen. Dabei muss aber das BÜPF vom Nachrichtendienstgesetz unterschieden werden. Dieses bietet die Grundlage für präventive Ermittlungen.

Gegner der Totalrevision des Gesetzes betonten, dass alleine die Speicherung der ausgeweiteten Datenmenge einem Eingriff in die persönliche Freiheit der Bürger gleichkomme.

«Heute entscheiden wir, ob die Schweiz zu einem Polizei- und Überwachungsstaat verkommt», meinte Lukas Reimann (SVP/SG) als Vertreter der gegnerischen Minderheit. Unterstützt wurde die Minderheit auch von linker Seite, angeführt von den Grünen.

Randdaten

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Im Falle des Postverkehrs verraten diese Daten, wer an wen Postsendungen verschickt hat. Im Falle des Fernmeldeverkehrs liefern die Daten die Informationen, wer wie lange mit wem am Telefon gesprochen hat oder wo ein Mobiltelefon zu einem bestimmten Zeitpunkt verwendet worden ist.

Datenspeicherung verlängert

Der Nationalrat ist dem Vorschlag des Bundesrates gefolgt, sowohl die Aufbewahrung der Randdaten (siehe Textbox) im Postverkehr als auch im Fernmeldeverkehr von sechs auf zwölf Monate zu verlängern. Der Ständerat als Erstrat lehnte eine verlängerte Aufbewahrungsdauer der Daten im Postverkehr ab.

Im Nationalrat wurde die Datenspeicherung im Fernmeldeverkehr mit Anträgen bekämpft. Justizministerin Simonetta Sommaruga entgegnete, es werde fälschlicherweise behauptet, dass diese Daten sogleich in die Hände des Staates fallen. Sie würden vielmehr von zuständigen privaten Dienstleistern gespeichert und dürften nur im Rahmen eines Strafverfahrens an den Staat gehen.

Daniel Vischer (Grüne/ZH) verlangte mit acht weiteren Nationalräten – darunter auch SVP-Vertreter – die Rückweisung des Geschäfts an den Bundesrat zwecks Ausarbeitung einer Vorlage, «die keine Vorratsdatenspeicherung mehr kennt».

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Simonetta Sommaruga: «Nicht der Staat speichert diese Daten.»
Aus News-Clip vom 17.06.2015.
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Die Kritiker der Vorratsspeicherung verwiesen wiederholt auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 8. April 2014. Das Urteil erklärte eine 2006 eingeführte EU-Richtlinie über die Datenspeicherung auf Vorrat für ungültig.

Der EuGH bemängelte fehlende objektive Kriterien, die für die Anwendung einer von bis zu zwei Jahren erlaubten Speicherfrist erfüllt sein müssen.

Doch ist dieses Urteil tatsächlich für die vorgesehene Revision von Belang? Nein, betonte Sommaruga. Denn das Bundesgesetz sehe explizit vor, dass nicht irgendwer, sondern ausschliesslich die Strafverfolgungsbehörde nach einem Gerichtsentscheid und Bewilligung auf gespeicherte Daten zugreifen kann.

Government Software (GovWare)

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Die Verwendung der sogenannten «GovWare», umgangssprachlich auch als «Staatstrojaner» bezeichnet, sieht die Überwachung des verschlüsselten Fernmeldeverkehrs vor. Solche Programme erlauben Staatsanwälten und der Polizei im Rahmen eines Strafverfahrens neben Informationen über die Randdaten, auch den Inhalt der Kommunikation einzusehen.

Zulasten der persönlichen Freiheit?

Daniel Vischer richtete sich mit Verweis auf den liberalen Gehalt seiner Kritik explizit an die FDP-Abgeordneten. Es gehe ihm schliesslich um die Verteidigung des Schutzes der persönlichen Freiheit. Die FDP-Fraktionschefin Gabi Huber hielt jedoch fest: «Ohne Sicherheit gibt es keine Freiheit.»

Selbst die Befürworter räumten ein, dass die für die Bekämpfung der Kriminalität vorgeschlagenen technischen Mittel wie die Government Software (siehe Textbox), Potenzial für Missbräuche schaffen.

Doch gelte es, die restriktive Verwendung von GovWare zu beachten: Sie käme nur zum Zuge, wenn es einen Verdacht auf eine schwere Straftat gäbe. So argumentierte beispielsweise Karl Vogler (CVP/OW), das öffentliche Interesse an einer zeitgemässen Kriminalitätsbekämpfung sei gegenüber möglichen Missbräuchen stärker zu gewichten.

Justizministerin Sommaruga machte geltend, dass es um die Bekämpfung schwerer Kriminalität gehe. Die Gesetzesrevision vereinfache in erster Linie Ermittlungen gegen potenzielle Dschihadisten, Terroristen und Pädokriminelle.

Warum kein knapperes Resultat beim BÜPF?

Der Ausgang der BÜPF-Debatte sei etwas erstaunlich, meint Hanspeter Forster, SRF-Bundeshausredaktor. Denn immerhin hätten sich im Vorfeld zwei Drittel der SVP-Fraktion und über die Hälfte der SP mit den Grünen zusammen gegen diese stärkere Überwachung ausgesprochen.

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Hanspeter Forster, SRF-Bundeshausredaktor, zum BÜPF
Aus Tagesschau vom 17.06.2015.
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Das hätte zumindest für ein Zitterresultat sorgen sollen. Dass es so gekommen ist, habe zwei Gründe, so Forster. «Erstens hat die SP ihre Bundesrätin Sommaruga nicht im Regen stehen lassen wollen. Und zweitens hätte die SVP Mühe gehabt, zu erklären, warum sie sich vor ein paar Tagen beim Nachrichtendienstgesetz für mehr Überwachung der Bürger eingesetzt hat, nicht aber beim BÜPF, wo es ja gegen Kriminelle und Terroristen geht.»

Nun müssten sich aber zuerst die beiden Räte einigen, Der Ständerat wollte weniger weit gehen als der Nationalrat, etwa bei der Vorratsdatenspeicherung. Und dann stehe ja bereits eine Referendums-Drohung von mehreren Jungparteien aus allen Lagern im Raum. «Da sind die Grünen dabei und wohl auch die Internet- und Telekommunikations-Branche. Denn wenn die Vorratsdatenspeicherung ausgebaut wird, muss die Branche massiv investieren. Das kostet fast 500 Millionen Franken jährlich», sagt Forster. Das sei ein guter Grund, das Referendum zu unterstützen.

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