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Staumauern Trift und Grimsel Durchbruch in Wasserkraft: Dieser Deal soll den Ausbau verändern

Im Kanton Bern ist beim Wasserkraft-Ausbau der Durchbruch gelungen. Dazu werden Wehre zurückgebaut, keine neuen Seilbahnen gebaut, und auch Ziegen sollen helfen. So sieht der Deal aus.

Die Ausgangslage: Die Wasserkraft soll in grossem Umfang ausgebaut werden. Der Bund hat insgesamt 16 Projekte definiert, die realisiert werden sollen. Viele Projekte werden jedoch von Umweltverbänden massiv kritisiert. Bei zwei Projekten im Kanton Bern ist nun der Durchbruch gelungen. Die Betreiberin, der Kanton und die Umweltverbände konnten sich einigen. Ein Deal, der für andere Projekte Vorbild sein soll.

Karte der Schweiz mit markierten Punkten, Trift und Grimselsee hervorgehoben.
Legende: Am Runden Tisch zur Wasserversorgung sind 15 Projekte definiert worden – ein 16. kam später dazu. SRF

Der Ausbau: Es geht um zwei Hauptprojekte: Einerseits soll beim Triftgletscher im Grimselgebiet eine neue Staumauer entstehen. Andererseits sollen die beiden Mauern des Grimselsees um je 23 Meter erhöht werden. Es sind grosse Ausbauprojekte: Beide sollen die Stromproduktion in der Schweiz insbesondere in den Wintermonaten fördern.

Trift und Grimsel: Um diese Wasserkraftprojekte geht es

Der Durchbruch: Im sogenannten Grimsel-Dialog haben die Umweltverbände dem Kanton und der Betreiberin KWO zugesichert, keine Beschwerden gegen die geplanten Bauten einzulegen. Im Gegenzug wurden Ausgleichsmassnahmen definiert, die die Biodiversität und die Landschaft schützen.

Die Massnahmen: Diverse Flüsse im ganzen Kanton Bern sollen nicht für die Stromproduktion genutzt werden dürfen. Kleinwasserkraftwerke an der Emme und das Wehr an der Simme sollen zurückgebaut werden. Bei drei Gletschervorfeldern wurden Einschränkungen definiert: Dort dürfen weder Energieanlagen wie Wasser-, Wind- oder Solaranlagen gebaut werden, noch Tourismusattraktionen wie Seilbahnen, Hotels oder Hängebrücken. Zudem sollen gewisse Flächen wie Wiesen als Lebensräume geschützt werden. Dabei sollen etwa Ziegen eingesetzt werden, damit Flächen nicht zuwachsen.

So sieht der Deal im Detail aus

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  • Der Kanton Bern verpflichtet sich, bei über 50 definierten Fliessgewässern oder Abschnitten von Fliessgewässern – verteilt auf das ganze Kantonsgebiet – keine neuen Wasserkraftwerke zu bauen oder keine grösseren Erweiterungen von bestehenden Werken zu realisieren.
  • Das Simmewehr des Wasserkraftwerks Spiez sowie die beiden Kleinwasserkraftwerke Bätterkinden und Hagerhüsli an der Emme werden zurückgebaut.
  • Für die drei Gletschervorfelder Bächli-, Gruben- und Steingletscher gibt es Bau- und Nutzungsbeschränkungen. Diese betreffen einerseits neue Wasser-, Wind- oder Solaranlagen. Andererseits auch Skilifte, Strassen, Unterkünfte, Tourismusattraktionen wie Hängebrücken, Wanderwege, Mountainbiketrails, Kletterseile, Seilpärke. Auch ein Drohnenverbot ist vorgesehen sowie höhere Gebühren bei Übernachtungen im Fahrzeug.
  • Gewisse Flächen wie Wiesen sollen zu einem besseren Lebensraum für verschiedene Arten werden. Dazu sollen Ziegenherden eingesetzt werden, damit Flächen nicht zuwachsen.
  • Die KWO errichtet eine neue Stiftung, welche weitere Aufwertungs- und Revitalisierungsmassnahmen langfristig sichert.

Das sagt die Betreiberin: Die Kraftwerke Oberhasli sind zufrieden. Mit dem Deal sei man einen grossen Schritt weiter für die Baubewilligung. KWO-Chef Daniel Fischlin: «Es ist ein Freudentag.» Die Projekte seien unverzichtbar, insbesondere im Winter.

Das sagen die Umweltverbände: Bei den Verhandlungen dabei waren diverse Verbände wie WFF, Pro Natura, Aqua Viva und die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz. Christopher Bonzi vom WWF sagt, die Ausgleichsmassnahmen seien wichtig und neu: «Man anerkennt, dass die Auswirkungen der Wasserkraft sehr gross sind und man mehr machen muss.» Bisher habe es Ersatzmassnahmen gegeben, bei denen an einem kleinen Ort sehr wenig gemacht wurde. Neu müssten die Massnahmen nicht nur im Umkreis der Kraftwerke sein. «Man kann auch auf dem ganzen Kantonsgebiet Massnahmen finden, die am meisten bringen.»

Das bringt der Rückbau des Simmewehrs

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Steinbrücke mit Wasserfall in bewaldeter Berglandschaft.
Legende: Eine der Ausgleichsmassnahmen: Das Simmewehr soll zurückgebaut werden. SRF

Zurückgebaut wird unter anderem das Simmewehr beim Wasserkraftwerk Spiez. Das bringt laut WWF-Gewässerschutzexperte Christopher Bonzi viel.

«Unter- und oberhalb des Wehrs hat es wichtige Lebensräume.» Wenn diese nicht mehr durch die Mauer getrennt seien, könnten sich die Tiere wieder frei bewegen. «Zum Beispiel die Seeforelle, die aus dem Thunersee aufsteigt. Das sind riesige Fische, die dann die Simme hinauf und dort auf 20 Kilometern laichen können.»

Die Bedeutung: Mit dem Deal habe man gezeigt, dass man gleichzeitig Winterstrom ausbauen und gute Lösungen für die Natur finden könne, so Bonzi vom WWF: «In Bern haben wir Pionierarbeit geleistet, die man jetzt auch in anderen Kantonen machen sollte.» Das «Modell Bern» als Vorbild betont auch KWO-Chef Fischlin: «Wenn alle bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, entstehen tragfähige Lösungen.»

SRF-Redaktor: «Eine Baustelle gelöst, eine neue eröffnet»

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Einschätzung von SRF Wirtschaftsredaktor Matthias Heim:

«Die Einigung zwischen den Kraftwerksbetreibern, dem Kanton und den Umweltverbänden ist ein wichtiger Schritt. Damit werden die geplanten Vorhaben nun von fast allen Organisationen akzeptiert, wenn auch teilweise mit etwas Zähneknirschen. Nichtsdestotrotz mindert es den Widerstand gegen die Ausbauvorhaben merklich. Aber nicht alle Vereine stehen hinter dieser Einigung: Namentlich der Grimselverein bekämpft die Projekte aus grundsätzlichen Überlegungen. Damit zeichnet sich bereits heute ab, dass die Bewilligungsverfahren wahrscheinlich durch alle Instanzen gehen werden, die entsprechend ihre Zeit benötigen.

Neu kommt nun aber hinzu, dass das Berner Kantonsparlament Ende November entschieden hat, die bisherige Eigentümerstrategie der KWO neu zu ordnen. Das ist ein grösseres Unterfangen mit vielen Unbekannten und dürfte folglich zu zusätzlichen Verzögerungen führen. Denn solange die künftige Eigentümerstrategie der KWO nicht geklärt ist, so lange dürfte auch kein Bauentscheid für den Stausee Trift oder die Erhöhung der Grimselseestaumauer gefällt werden.»

Die Beschwerde: Der Grimselverein jedoch hält an der Beschwerde gegen den Trift-Ausbau fest. «Es ist ein massiver Eingriff in eine bisher unberührte Landschaft», sagt Präsident Nick Röllin. Die Projekte seien ein so grosser Eingriff in die Natur, dass es dafür gar keine Ausgleichsmassnahmen gebe.

Auch die Gemeinde ist nicht zufrieden

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Die Gemeinde Innertkirchen, auf deren Gemeindeboden der Trift-Staudamm gebaut werden soll, zeigt sich «konsterniert» über den abgeschlossenen Deal. «Die Interessen der Stromwirtschaft wurden ungleich höher gewichtet als die berechtigten Anliegen der betroffenen Bevölkerung», schreibt die Gemeinde in einer Mitteilung.

Die Gemeinde müsse so der KWO Land zur Verfügung stellen als Schutzgebiet – «praktisch zum Nulltarif». Die Gemeinde habe nun keine Möglichkeit, bei der Nutzung des Landes mitzureden.

Die weiteren Schritte: Lehnt das Gericht die Beschwerde ab, kann die KWO ins Baubewilligungsverfahren. Wenn nicht, rechnet sie mit einer Verzögerung von zwei Jahren.

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Nachrichten, 8.12.2025, 15 Uhr ; 

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