Im Steuerfall der Ammann-Gruppe signalisiert die Eidgenössische Steuerverwaltung erstmals Bereitschaft, mit den bernischen Behörden zu kooperieren. ESTV-Direktor Hug erklärt in der «Rundschau»: «Wir werden dieses Dossier mit der Steuerverwaltung Bern jederzeit anschauen, genau wie wir das auch schon im Februar getan hätten, wenn es nicht darum gegangen wäre, dass der Bericht nach aussen getragen werden soll.»
Bereits im Nachgang zur ersten «Rundschau»-Berichterstattung im vergangenen Februar meldete sich die Berner Finanzdirektion bei der ESTV, um das Ammann-Dossier konkret zu überprüfen. Die Finanzkommission wurde über diesen Schritt informiert. Die Antwort war jedoch abschlägig. Die ESTV sei befangen, hiess es in einem internen Protokoll der Finanzkommission des Bernischen Grossen Rats.
Berner Steuerverwaltung wieder am Zug
Danach formulierte die Finanzkommission den Auftrag neu. Die Steuerbehörde des Bundes sollte klären, ob die Berner Veranlagungspraxis dem Schweizer Durchschnitt entspreche.
Dies wurde von Hugs Verwaltung erneut abgelehnt. «Wir haben 26 andere Kantone, welche analoge Begehren stellen könnten und das liegt einfach nicht drin, dass wir hier für eine einzelne Kommission solche Aufträge übernehmen», sagt dazu Hug in der «Rundschau». Damit gab er den Ball an die bernische Steuerverwaltung und damit an die Finanzdirektion weiter.
Berner Steuerverwaltung legt Dossier offen
Die Berner Finanzdirektion gab nun auf Anfrage der «Rundschau» bekannt, es werde «eine Prüfung des Sachverhalts und dessen damaliger steuerrechtlichen Würdigung betreffend der von der Ammann-Gruppe seinerzeit im Ausland gehaltenen Vermögensverwaltungsfirmen vorgenommen.» Mit anderen Worten: Die Berner Steuerverwaltung wird das Dossier für die Eidgenössische Steuerverwaltung öffnen.
Im Zentrum der Prüfung stehe die Frage, «ob und warum die gestützt auf ein Ruling vorgenommenen Veranlagungen durch die bernische Steuerverwaltung aus damaliger Sicht und gemäss damaliger Rechtspraxis rechtskonform waren». Die ESTV habe zugesichert, «dass sie bei dieser Prüfung ihre Aufgabe als Aufsichtsbehörde wahrnehmen wird».
Keine Intervention von Bundesrätin Widmer-Schlumpf
ESTV-Direktor Hug stellt vehement in Abrede, dass Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf von Beginn an neue Überprüfungen abgeblockt habe. Er sei froh, so Hug, dass er dies klarstellen könne.
Die Departementsvorsteherin habe in einem Brief an die Berner Finanzkommission nur «genau die gleiche Haltung bestätigt, welche wir auch hatten». Die konkrete Frage, ob Bundesrat Johann Schneider-Ammann geschützt werden sollte, verneint Hug klar.
Der Leiter der Berner Finanzkontrolle, Thomas Remund, hatte sich zuvor irritiert darüber gezeigt, dass von Bundesrätin Widmer-Schlumpf und ESTV-Direktor Hug abschlägige Antworten für eine neuerliche Prüfung erteilt worden waren.
Adrian Hug wollte sich in der Sendung nicht konkret zum Steuerfall der Ammann-Gruppe äussern: «Das Steuergeheimnis soll für alle gelten.» Man sei aber bereit, das Thema mit der Steuerverwaltung Bern abzuklären.
«Hunderte von Offshore-Gesellschaften»
Auf die Frage, ob es sich im Fall der Ammann-Gruppe um den Normalfall gehandelt habe, erklärt der ESTV-Direktor weiter, er habe keine Hinweise, dass die Steuerbehörden wegschauen würden. Man müsse von «Hunderten von Offshore-Gesellschaften» ausgehen. Dies bedeute aber nicht, «dass bei Hunderten dieses Konstrukt selbst hinterfragt werden muss».
Hug musste aber eingestehen, dass er nicht ausschliessen könne, ob auch in anderen Fällen eine genauere Überprüfung nötig wäre: «Ich kann es sicher nicht ausschliessen, dass es Fälle gab, welche man aus heutiger Sicht nicht mehr gleich entscheiden würde, wie man sie vielleicht vor zehn oder 15 Jahren entschieden hat.»
Aktennotiz: Firmengelder in der Schweiz bewirtschaftet
Die Finanzkommission des Berner Grossen Rats hatte im Februar mitgeteilt, es gebe «keine relevanten Hinweise auf ein rechtwidriges Verhalten der Ammann-Gruppe». Eine vertrauliche Aktennotiz, die letzte Woche von der «Rundschau» publik gemacht wurde, legt den Schluss nahe, dass die Ammann-Gruppe über 250 Millionen Franken Firmengelder nicht wie angenommen in der Steueroase Jersey, sondern in der Schweiz bewirtschaftet hatte. Damit wären die Gelder auch in der Schweiz steuerpflichtig gewesen.