Rund 28'000 Bussen hat die Gemeinde Birsfelden seit September verteilt. Um den Ausweichverkehr wegen des täglichen Staus auf der Kantonsstrasse zu unterbinden, gilt dort ein Durchfahrverbot auf Quartierstrassen – überwacht von automatischen Kameras. Nur wer länger als 15 Minuten braucht oder wieder am selben Ort rausfährt, gilt nicht als Stau-Umfahrer und wird nicht gebüsst. «Es ist massiv ruhiger geworden in unseren Quartieren», sagt Christoph Hiltmann, Gemeindepräsident von Birsfelden.
Bei vielen sorgt das neue Bussenregime jedoch für Ärger. Weil Autofahrer Bussen nicht bezahlten, sind inzwischen drei Fälle bei der Staatsanwaltschaft hängig. Doch jetzt wehrt sich auch jemand, der keine Ausnahmebewilligung für die Durchfahrt bekam. Diese Person hat beim Regierungsrat Beschwerde eingereicht. Das zeigen Recherchen der Rundschau. Zwar geht es in der Beschwerde um die konkrete Bewilligung, doch die Regierung wird das neue Bussensystem grundsätzlich unter die Lupe nehmen.
Regierung könnte Bussensystem kippen
Markus Schefer, Professor für Staatsrecht an der Universität Basel, sagt, zentralen Fragen seien die Folgenden: Ist die Rechtsgrundlage genügend präzis, das Verbot verhältnismässig? Verstösst sie gegen übergeordnetes Recht wie das Strassverkehrsrecht oder den Schutz der Privatsphäre in der Bundesverfassung? «Das sind alles schwierige Fragen, die selbst ein Rechtsdienst der Regierung nicht einfach aus dem Ärmel schütteln kann», sagt Schefer. Eine Prognose zu machen, sei entsprechend heikel.
Zwar hat die kantonale Sicherheitsdirektion das Polizeireglement genehmigt, und auch der kantonale Datenschutz hat grünes Licht gegeben. Doch letztlich wird erst die Beschwerde Klarheit bringen. Den Entscheid der Regierung könnten beide Seiten ans Kantonsgericht weiterziehen.
Interessant dürfte dieser Entscheid auch für andere Gemeinden sein. Zum Beispiel Egerkingen. Dort leidet die Bevölkerung seit Jahren unter Ausweichverkehr. Sobald sich auf der Autobahn der Verkehr staut, weichen viele auf die Kantonsstrasse aus. Seit ein paar Monaten wird für ein paar Sekunden ein Rotlicht eingeschaltet. So soll der Ausweichverkehr gebremst und unattraktiv werden.
Doch gebracht habe dies wenig, sagt Johanna Bartholdi. Sie war bis vor kurzem Gemeindepräsidentin, 16 Jahre lang: «Vom Bundesamt für Strassen respektive vom Bund fühle ich mich irgendwie vernachlässigt. Was auf der Kantonsstrasse oder den Gemeindestrassen passiert, ist ihnen eigentlich – seien wir ehrlich – Wurst.» Sie will jetzt alle Hebel in Bewegung setzen, damit auch in Egerkingen ein Durchfahrverbot wie in Birsfelden kommt.
Beim Kanton Solothurn heisst es, man habe gemacht, was man konnte. «Das ist eine Kantonsstrasse. Die muss auch ein Stück weit offen sein für Durchgangsverkehr», sagt Pascal Stebler, Leiter der kantonalen Verkehrsplanung.
Auch in Cham ZG soll ein Durchfahrverbot eingeführt werden, sobald eine neue Umfahrungsstrasse aufgeht. Wer in weniger als zehn Minuten durch den Ort fährt, soll wie in Birsfelden gebüsst werden. Der Kanton Zug schreibt der Rundschau, man prüfe derzeit, «ob und wie eine Gesetzesgrundlage für eine automatische Zufahrtskontrolle geschaffen werden könnte.» Deshalb verfolge die Zuger Sicherheitsdirektion die Entwicklungen wie in Birsfelden aufmerksam.