Jedes Jahr zeichnet die Welttourismusorganisation UNWTO die besten Tourismusdörfer aus. Dieses Jahr unter den prämierten Ortschaften: Valendas im Safiental im Kanton Graubünden, hoch über der Rheinschlucht – sozusagen vis-à-vis den bekannteren Dörfern Flims und Laax.
Valendas hat 300 Einwohnerinnen und Einwohner, gehört zur Gemeinde Safiental in der Surselva. Und es siechte seit Jahrzehnten vor sich hin. Abwanderungen, Perspektivlosigkeit und keine Investitionen: Restaurants schlossen, Bauern gaben ihre Betriebe auf.
Ein kaputtes Dorf – das war der Inbegriff von Valendas.
1977 beschrieb die SRF-Sendung «Blickpunkt» Valendas zwar als «ruhig und romantisches Bergdorf», aber mit «Häusern aus feuchten Mauern und morschem Gebälk, und einem seltsam ruhigen Dorfplatz». Ein Dorf, das eingeschlafen ist?
Der in Valendas aufgewachsene Benedikt Bühler war 12 Jahre lang Gemeindepräsident und führt heute Touristengruppen durch das Dorf. Er erinnert sich: «Wenn ich sagte, ich komme von Valendas, hiess es: Ach, da wo die kaputten Fenster sind. Ein kaputtes Dorf – das war der Inbegriff von Valendas.»
Vor über 20 Jahren dann die Kehrtwende: Der Verein Valendas Impuls wird gegründet, daraus geht eine Stiftung hervor. Das Ziel: Alte Häuser erhalten, das Dorf entwickeln und Valendas aus dem Dornröschenschlaf wecken. «Wir wollten unsere Heimat nicht verlieren», sagte Walter Marchion einst, er ist Vizepräsident der Stiftung.
Durch die Arbeit von Valendas Impuls wurde das Dorf wieder Bewegung gebracht. Das 600 Jahre alte Backhaus, zwischenzeitlich als Mülldeponie genutzt, wurde instand gesetzt, Ferien im Baudenkmal «Türalihus» werden angeboten, Bauernhäuser besichtigungstüchtig gemacht, der Dorfladen gerettet und neue Wohnungen gebaut. Alles im Zeichen der Wiederbelebung.
Das Vorhaben genoss Rückhalt in der Bevölkerung, von aussen kamen Geldgeber dazu. Diese seien mit klaren Vorstellungen und Ideen überzeugt worden, sagt Walter Marchion: «Es klingt vielleicht überheblich, aber wir waren erstaunt, wie ring man zu Geld kommt, wenn vernünftige Ideen da sind; wenn man etwas erreichen will für die Allgemeinheit.»
Dank der umgesetzten Visionen lebt Valendas wieder. Die Einheimischen fühlen sich wohl damit, die wenigen Gästebetten sind gut ausgelastet.
Ein Besuch im Best Tourism Village 2025
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Bild 1 von 6. In Valendas achtete man darauf, dass alte Häuser und Dinge erhalten bleiben – wie dieser Wegweiser. Bildquelle: SRF/Julia Capaul.
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Bild 2 von 6. So sah der Dorfbrunnen früher aus ... Bildquelle: SRF/Julia Capaul.
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Bild 3 von 6. ... und so heute. Bildquelle: SRF/Julia Capaul.
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Bild 4 von 6. Das Backhaus wurde zwischenzeitlich als Mülldeponie genutzt und dann wieder auf Vordermann gebracht. Heute wird darin wieder gebacken. Bildquelle: SRF/Julia Capaul.
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Bild 5 von 6. Das Jooshaus von Valendas aus dem 14. Jahrhundert ist weitgehend im Originalzustand. Jeder Raum kann besichtigt werden. Bildquelle: SRF/Julia Capaul.
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Bild 6 von 6. Zahlreiche Ställe oder Bauernhäuser wurden umgebaut, um sie den Touristinnen und Touristen zeigen zu können. Bildquelle: SRF/Julia Capaul.
Dafür wurde Valendas von der UNWTO nun ausgezeichnet. Eine Ehre, findet der ehemalige Gemeindepräsident und Touristenführer Benedikt Bühler. Aber: «Ich befürchte, dass noch mehr Leute kommen werden. Wir sind jetzt eigentlich schon voll. Bei schönem Wetter ist die Gartenwirtschaft des einzigen Restaurants besetzt.»
Kämen mehr Leute, so wären diese nicht mehr zufrieden, so Bühler weiter. «Für uns ist schön, dass wir den Preis und diese Ehre kriegen. Aber wir brauchen nicht einen Haufen mehr Leute.»
Von China via das Seco nach Graubünden
Viel mehr Touristen als bisher dürfte es nicht geben, sagt Martin Hoch von Safiental Tourismus: «Wertschöpfung ist wichtig, ein bisschen mehr Tourismus darf es sein. Aber wir haben auch ein limitiertes Angebot von Restaurants und Hotels. Das heisst: Wir haben eine natürliche Grenze, wie viele Menschen wir im Tal überhaupt aufnehmen können.»
Die Auszeichnung zum UNO-«Best Tourism Village» wurde vergangene Woche in China übergeben. Valendas setzte sich gegen 270 Ortschaften aus 65 Ländern durch. Stellvertretend für Valendas nahm ein Vertreter des Staatssekretariats für Wirtschaft den Preis entgegen. Von dort findet er nun den Weg ins Safiental.