Es ist gerade Schichtwechsel in der Stadler-Rail-Fabrik in Astana, Kasachstan. Gut 400 Angestellte arbeiten hier seit kurzem an fast 600 Waggons für Nachtzüge. Kasachstan will seine Bahninfrastruktur ausbauen. Dabei hilft auch der Thurgauer Bahnbauer Stadler Rail mit. Der Auftrag: über 2 Milliarden Franken schwer. Phillip Brunner hetzt von Sitzung zu Meeting an diesem Abend. «Wir haben das Werk hier übernehmen können und es entsprechend umgebaut», sagt der Divisionsleiter Zentraleuropa von Stadler Rail.
Brunner hat bereits Erfahrung mit dem Aufbau von Fabriken in postsowjetischen Ländern: Unter anderem hat er das Werk in Belarus mit aufgebaut. Wegen der Sanktionen gegen das Land hat Stadler die Fabrik wieder aufgeben müssen. «Trotzdem haben wir von Minsk profitieren können», sagt Brunner. Man habe dutzende Mitarbeitende mitgenommen, der Werkschef hier in Kasachstan ist beispielweise ein Belarusse. «Mit Wladimir arbeite ich nun schon über zwölf Jahre zusammen», sagt Brunner.
Bundesrat will Beziehungen vertiefen
Kasachstan will seine Wirtschaft diversifizieren, weniger abhängig sein von Öl und Gas, dem Hauptexportgut, und zum Beispiel den Tourismus fördern. Dabei helfen sollen auch Schweizer Firmen. Laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft ist die Schweiz bei Investitionen im Land auf dem dritten Platz. Gegen 40 Schweizer Firmen sind im Land aktiv. Doch es sollen mehr werden.
Dafür ist Bundesrat Guy Parmelin anlässlich des schweizerisch-kasachischen Wirtschaftsforums in die Hauptstadt Astana gereist: «Ich bin heute hier, um die Beziehungen unserer Länder zu vertiefen», sagt der Wirtschaftsminister vor versammelten kasachischen Ministern, Schweizer Lobbyisten und Firmenchefs. Parmelin ist es wichtig, direkt von Firmen vor Ort zu hören, auf welche Probleme sie treffen. «So können wir sehen, ob wir die Bedingungen für Schweizer Firmen verbessern können.»
Seilbahnen für Kasachstan
Das Interesse von Schweizer Firmenchefs ist da. Markus Menzi von der Seilbahnfirma Bartholet interessiert sich für Infrastrukturprojekte im Süden des Landes: «Kasachstan ist für uns ein Zukunftsmarkt. Es gibt interessante touristische Gebiete und auch im Stadtverkehr gibt es Potenzial für unsere Produkte», sagt er.
Auch der Schweizer Pharmariese Roche ist im Land aktiv. Seit kurzem werden Medikamente, die in der Schweiz produziert werden, in Kasachstan verpackt. Gezwungenermassen: Das Land verlange, dass eine gewisse Wertschöpfung vor Ort gemacht wird.
Droht Stadler dasselbe wie in Belarus?
Gemeinsam mit Bundesrat Parmelin besucht auch Stadler-Rail-Patron Peter Spuhler die Fabrik im Norden von Astana. Darauf angesprochen, ob dem Werk in Kasachstan nicht ein ähnliches Schicksal wie der Fabrik in Belarus drohe, sagt Peter Spuhler: «Als Unternehmer muss man kalkulierte Risiken eingehen.» Er glaube aber, dass die Situation in Kasachstan eine andere sei als damals in Belarus: «Klar hat sich die geopolitische Lage in den letzten Jahren verändert. Aber in Kasachstan haben wir eine stabile Situation.»
Die ersten Nachtzüge von Stadler Rail verkehren schon bald auf der 14-stündigen Strecke in die alte Hauptstadt Almaty.