1860 Franken brutto für eine neue 4.5-Zimmer-Wohnung an zentraler Lage: Auf dem Zürcher Wohnungsmarkt klingt das wie ein Fake-Inserat.
Hinter dem Angebot steckt aber kein Betrüger, sondern die Stadt Zürich. Die Wohnung ist Teil der neu gebauten Siedlung Hardau 1, die die Stadt zum Selbstkostenpreis vermietet. Die tiefen Preise sind möglich, weil sie das Land in den Sechzigerjahren erworben hat und mit der damaligen Beschaffung kalkuliert.
Im freien Markt würde dieselbe Wohnung das Dreifache kosten. Auf 25 Jahre gerechnet, sparen Mieter einer städtischen Wohnung also eine Million Franken.
Mehr als jede siebte Wohnung unterbelegt
Profitieren von diesem Angebot die Richtigen? Diese Frage ist aktueller denn je. Denn die Stadt Zürich plant die grösste Räumung in ihrer Geschichte: Wer die Auflagen zu Belegung oder Verdienstgrenzen nicht erfüllt, soll nicht mehr von einer städtischen Wohnung profitieren.
Von 7400 Wohnungen, die zur Kostenmiete angeboten werden, sind rund 1100 unterbelegt, 150 davon stark. Mit diesen 150 will Zürich anfangen. Gleichzeitig wird bei rund 100 Wohnungen geprüft, ob die Wohnsitzpflicht erfüllt ist.
Länger auf sich warten lässt die Prüfung der Einkommensverhältnisse. Ein Grund für die Staffelung ist, dass die Stadt zur Kalkulation Steuererklärungen aus drei Jahren heranzieht. Ein anderer, dass sie vielen Betroffenen Ersatzwohnungen anbietet.
Selbst wer 300'000 Franken verdient, wird geschont
Nicht nur bei Härtefällen zeigt sich die Stadt grosszügig. Die Rücksichtnahme ist auch bei den Einkommensgrenzen weit gefasst: So bekommen auch Familien mit einem steuerbaren Einkommen von bis zu 230’000 Franken Ersatzwohnungen angeboten. Das entspricht einem Brutto-Einkommen von 300'000 bis 320’000 Franken.
Staatliche Wohnungen gehen oft an diejenigen, die besser informiert, besser vernetzt oder einfach ausdauernder sind.
Christian Hilber, Immobilienökonom der Universität Zürich, sieht im Vorgehen den Erhalt von Privilegien einer kleinen Gruppe. «Staatliche Wohnungen gehen oft nicht an jene, die sie am nötigsten haben, sondern an diejenigen, die besser informiert, besser vernetzt oder einfach ausdauernder sind», sagt er.
Ein möglicher Ausweg aus den Problemen in Zürich wären für Hilber variable Mietzinse, die an die Einkommen gebunden sind. Die zusätzlichen Einnahmen könnte die Stadt zweckgebunden verwenden, etwa für die Wohnbauförderung. Aber eine politische Diskussion in diese Richtung gibt es nicht.
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Auch der Zürcher Mieterverband lehnt einen Systemwechsel ab. Er sieht in der Abweichung von der Kostenmiete die Gefahr, dass Mieteinnahmen für den städtischen Haushalt genutzt werden könnten.
Sprecher Walter Angst sagt: «Der grösste Fluch in Zürich ist, dass der Neid so zugenommen hat. Die Menschen haben Angst, dass, wenn sie aus ihren Wohnungen müssen, sie mit ihrem Einkommen nichts mehr finden.»