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Vertreter der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zufrieden
Aus Tagesschau vom 16.05.2017.
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Wegweisendes Urteil Zuger Migrationsamt verstiess gegen Menschenrechte

  • Das Bundesgericht hat eine Beschwerde eines ausgeschafften afghanischen Ehepaars gegen den Kanton Zug gutgeheissen.
  • Das Amt für Migration des Kantons Zug hatte die drei Kinder des Ehepaars während des Asylverfahrens in einem Kinderheim fremdplatzieren lassen und den direkten telefonischen Kontakt mit den Eltern untersagt.
  • Diese Massnahme sei «unverhältnismässig» gewesen, wie das Bundesgericht mitteilt. Es stützt sich bei der Urteilsbegründung auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK).

Demnach garantiere die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) den Asylbewerbern das Recht auf die Achtung des Privat- und Familienlebens. Die drei Kinder im Alter von drei, sechs und acht Jahren wurden jedoch auf Verfügung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) hin in einem Kinderheim untergebracht. Zudem wurde den Eltern während des vorinstanzlichen Verfahrens der telefonische Kontakt mit den Kindern verweigert.

Diese von der Familie erfahrene Behandlung erreicht gemäss Bundesgericht beinahe die Schwelle des in Artikel 3 der EMRK festgehaltenen Verbots der Folter oder der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung.

Ausserdem führt das Bundesgericht in seinem Urteil aus, dass das Migrationsamt andere Evaluationsmöglichkeiten nicht geprüft habe – wie beispielsweise die Unterbringung der gesamten Familie in einer kantonseigene Liegenschaft oder in einem Durchgangsheim. Deshalb sei die Inhaftierung der Eltern und die Fremdplatzierung der minderjährigen Kindern in einem Kinderheim unverhältnismässig gewesen.

Hoffnung auf Familienanschluss

Hintergrund des Falls: Das afghanische Elternpaar reiste im Mai 2016 von Norwegen über Deutschland mit seinen drei Kindern im Alter von drei, sechs und acht Jahren illegal in die Schweiz ein. Die Ehefrau war zum Zeitpunkt der Einreise mit dem vierten Kind schwanger. Die Afghanen stellten daraufhin einen Asylantrag und hofften auf Familienanschluss: Die Mutter und zwei Geschwister der Ehefrau lebten in der Schweiz und waren zum Teil bereits im Besitz der Schweizer Staatsbürgerschaft.

Das Asylverfahren wurde jedoch abgelehnt und es wurde die Wegweisung verfügt. Danach wurde die Familie vergangenen Herbst festgenommen und zum Flughafen Zürich gebracht. Dort weigerten sich die Eltern, das Flugzeug nach Norwegen zu besteigen, bevor sie nicht die Ausweise ihrer Kinder zurückerhielten. Die Zuger Behörden sahen in dieser Forderung ein «renitentes Verhalten».

Telefonischer Kontakt wurde untersagt

Die Mutter wurde deshalb mit dem inzwischen vier Monate alten Baby im Flughafengefängnis Zürich untergebracht. Der Vater kam in Ausschaffungshaft in Zug. Die drei Kinder wurden in ein Kinderheim gebracht. Darüber hinaus wurde zu Beginn der Inhaftierung der telefonische Kontakt zwischen den Eltern und den Kindern untersagt. Die Begründung: Es soll Fluchtgefahr bestanden haben.

Drei Wochen dauerte die Haft der Eltern, danach wurde die Familie mit einem Charterflug ausgeschafft. Mittlerweile haben die afghanischen Eltern gegen die Dublin-Haft Beschwerde eingereicht — und das Bundesgericht hiess die Beschwerde jetzt gut.

Zuger Migrationsamt wehrt sich

Die Sicherheitsdirektion des Kantons Zug schreibt in einer Mitteilung, dass das Wohlergehen der Kinder immer Priorität gehabt habe. Aufgrund des Verhaltens der afghanischen Familie und ihrer in der Schweiz wohnhaften Verwandtschaft, habe gemäss Direktion aber das Risiko des Untertauchens bestanden. Diesen Aspekt beleuchte das Bundesgericht in seinem Urteil nicht. In der Schweiz existierten überdies keine Möglichkeiten für eine familiengerechte Unterbringung für den Fall einer Administrativhaft.

Denise Graf, Asylrechtsexpertin bei Amnesty International, bezeichnet das Urteil des Bundesgerichts derweil als wegweisend. Die Menschenrechtsorganisation ruft in einer Mitteilung am Dienstag dazu auf, die Dublin-Verordnung in der Schweiz grosszügig zu handhaben. In Härtefällen oder aus humanitären Gründen solle die Schweiz vermehrt selbst auf Asylgesuche eintreten.

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