Als Ständeratspräsident ist Andrea Caroni der zweithöchste Schweizer. Ein Jahr lang hat er die kleine Kammer geleitet. Im Tagesgespräch spricht der FDP-Politiker über den Umgang mit Donald Trump, den Unterschied zwischen Stände- und Nationalrat und er erklärt, wie beim EU-Vertragspaket das Ständemehr doch noch eine Rolle spielen könnte.
SRF: Herr Caroni, Schweizer Wirtschaftsführer hatten Zugang zu Donald Trump im Oval Office, der Bundesrat nicht. Schmerzt Sie das als Staatsrechtler?
Caroni: Ich bin ein grosser Liebhaber unserer Institutionen. Ich hoffe und gehe davon aus, dass die Wirtschaftsführer nur für eine gute Stimmung gesorgt und Türen geöffnet haben. Die Verhandlungsführung liegt weiterhin beim Bundesrat.
Nach Schweizer Verständnis wäre das undenkbar.
Zur guten Stimmung gehörten auch Geschenke …
Ja, aber was er da erhalten hat, sind Peanuts im Vergleich zu dem, was er sich sonst schenken lässt. Nach Schweizer Verständnis wäre das undenkbar. Während wir hier sprechen, wird mein Präsidiumsbüro in Bern geräumt, und alles, was über 200 oder 300 Franken wert ist, wird zu Recht von der Eidgenossenschaft konfisziert.
Aus Israel und den USA gab es die Idee, dass Parlamentspräsidenten Trump für den Friedensnobelpreis 2026 vorschlagen sollen. Haben Sie das gemacht?
Eine entsprechende Anfrage haben wir seltsamerweise nie erhalten. Und wenn dieser Brief noch käme, würde er wohl so lange liegen bleiben, bis mein Nachfolger ihn beantworten kann.
Anfang Dezember endet Ihre Amtszeit als Ständeratspräsident. Sie wollten den Rat wie eine Band leiten. Ist Ihnen das gelungen?
Das hat wunderbar funktioniert, der Ständerat ist ein pflegeleichtes Top-Orchester. Die Mitglieder sind alle sehr musikalisch und konstruktiv; sie wollen, dass am Ende ein Lied herauskommt. Der Nationalrat ist anders: Dort gibt es ab und zu Punk-Elemente und ein bisschen Free Jazz. Es braucht etwas mehr Energie, wenn man diese Sitzung geordnet durchbringen will.
Im Ständerat ist die Redezeit nicht beschränkt. Wie haben Sie verhindert, dass die Debatten ausufern?
Man hat nicht viele Mittel. Aber man kann zu den Kollegen gehen und sagen: «Du, halte dich hier bitte kurz, wir haben noch andere Geschäfte.» Sehr wirksam ist auch, wenn man am letzten Tag um 11 Uhr sagt: «Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind zwei Stunden im Verzug, haben aber noch 17 Geschäfte. Ich habe den Nachmittag aber selbstverständlich auch noch für Sie reserviert.» Meistens war dann am Mittag alles erledigt.
Kommen wir zum EU-Vertragspaket. Ihre Partei, die FDP, will bei einer möglichen Abstimmung auf das Ständemehr verzichten. Sie als Vertreter eines kleinen Kantons auch?
Als Präsident äussere ich mich nicht zu konkreten Dossiers. Aber man kann Folgendes sagen: Die Verfassung sieht für einen solchen Staatsvertrag kein obligatorisches Referendum vor, also kein Doppelmehr.
Das wäre ein Anlass für eine Verfassungsänderung.
Also braucht es nur ein Volksmehr?
Das ist der normale Weg. Man kann aber die Verfassung ändern, und dafür braucht es ein doppeltes Mehr. Man könnte argumentieren, dass der Artikel zur Masseneinwanderungsinitiative angepasst werden muss, weil dieser neuen Verträgen entgegensteht. Das wäre ein Anlass für eine Verfassungsänderung.
Also ein juristischer Trick, um doch noch ein Doppelmehr zu erzwingen?
Ich sage nur, dass es eine Möglichkeit ist, eine rechtlich korrekte Abstimmung mit einem Doppelmehr herbeizuführen. Ob die Verfassung tatsächlich geändert werden muss, werden wir in der Kommission genau prüfen müssen.
Das Gespräch führte Simone Hulliger.