Greifen die Kundinnen und Kunden seit der Preissenkung jetzt eher zu? Ja, sagt Migros-Chef Mario Irminger im «Eco Talk». Bei den Sortimenten, welche die Migros vor gut einem Jahr vergünstigt hat, stellt er «überproportionale Mengenzuwächse» fest. Das bedeutet allerdings nicht, dass das Unternehmen in diesen Bereichen auch schon Marktanteile gewonnen hat.
Verdient die Migros mit allen Produkten Geld? Nein. Irminger räumt ein, dass gewisse Produkte, deren Preise gesenkt wurden, quersubventioniert sind. «Selbstverständlich. Es ist die Idee eines Supermarktes, dass das so ist.» Ein Beispiel ist Brot: Die Discounter Aldi und Lidl hatten Mitte Oktober den Preis für gewisse Pfünderli auf unter einen Franken gesenkt. Coop und Migros zogen sofort nach – zum Ärger vieler Bäckereien. «Wir haben zwangsmässig nachgezogen, weil sich der Marktpreis verändert hat», sagt Irminger nun. «Solche Aktivitäten können wir eigentlich überhaupt nicht unterstützen, wir finden sie auch falsch.» Gesenkt hat die Migros die Brotpreise dennoch.
Weshalb die Preissenkungen? Weil es die deutschen Discounter Aldi und Lidl vormachen. Dass sie derart viel Gewicht auf das Frische-Sortiment legen, haben die etablierten Player unterschätzt. Irminger sieht Handlungsspielraum in diesem Bereich: «Wir müssen dort wieder besser werden.» Und: «Wir haben noch grosse Möglichkeiten, effizienter zu sein.»
Wie viel kosten die tiefen Preise die Migros? Die Investitionen in die Preissenkungen belaufen sich laut Irminger auf 500 Millionen Franken. Folglich hat die Migros an Profitabilität eingebüsst. «Diese müssen wir uns wieder erarbeiten.» Das Ziel: eine Profitabilität von 2.5 Prozent, genau wie Coop. Vier bis fünf Jahre gibt sich Irminger Zeit, um dieses Ziel zu erreichen.
Wie spüren das die Zulieferer? «Wir spüren einen gewissen Druck», hiess es von Seiten des Bauernverbands schon kurz nach Beginn der Preisoffensive vor einem Jahr. Irminger sagt nun, man halte sich strikt an die Richtpreise der Branchenorganisationen. Auch regionale und lokale Hersteller – etwa Zweifel, Ricola und Rivella – würden «überhaupt nicht» unter Druck gesetzt. Aus dem Firmenumfeld hört man auch gegenteilige Äusserungen. Von globalen Playern wie Nestlé, Lindt&Sprüngli und Coca-Cola hingegen will die Migros einen grösseren Anteil am Kuchen.
Die Migros zieht vor allem Schnäppchenjäger an, die illoyal sind und erzieht die Kundschaft quasi auf den Preis.
Was haben tiefere Preise mit der Zuwanderung zu tun? Für Detailhändler ist die hohe Zuwanderung eine Chance. Jährlich kommen Zehntausende potenzielle Kundinnen und Kunden hinzu. Die Migros schöpft dieses Potenzial bislang zu wenig aus. Der Schweizer Food-Detailhandel sei in den vergangenen 25 Jahren um 48 Prozent gewachsen, sagt Irminger. «Wir haben da zu wenig partizipiert, wir wollen unseren fairen Anteil zurückholen.»
Geht die Tiefpreis-Strategie auf? Nein, prognostiziert Jörg Staudacher vom Institut für Vertrieb und Handel: «Die Migros zieht vor allem Schnäppchenjäger an, die illoyal sind, und erzieht die Kundschaft quasi auf den Preis». Irminger kontert: Man habe 1000 von insgesamt 12'000 Artikeln vergünstigt, also nur einen Bruchteil. Und zur neuen Strategie der Migros gehöre viel mehr. Etwa der Aufbau von 140 neuen Filialen in den kommenden fünf Jahren und die Renovation bestehender Läden. Dafür investiere die Migros insgesamt zwei Milliarden Franken.