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Weihnachtszeit im Lötschental Dorfpfarrer: «Ohne Blatten wirkt das Lötschental wie ‹amputiert›»

Es ist das erste Weihnachtsfest für die Bewohnerinnen und Bewohner von Blatten nach der Katastrophe. Das erste Weihnachten ohne den Dorfkern, die Kirche – und für viele Menschen auch ohne ihr Zuhause. Pfarrer Thomas Pfammatter spricht darüber, wie Blatten dennoch Halt und Gemeinschaft findet.

Thomas Pfammatter

Pfarrer im Lötschental

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Thomas Pfammatter ist Pfarrer für das ganze Lötschental und im regelmässigen Austausch mit den vom Bergsturz in Blatten betroffenen Menschen und allen anderen Betroffenen im ganzen Lötschental.

SRF: Sie sind Pfarrer im Lötschental. Wie geht es Ihnen persönlich?

Thomas Pfammatter: Verschiedene Gefühle. Es gibt Momente, in denen ich sehr positiv in den Tag starte und Mut habe zu arbeiten. Dann gibt es Momente, wo ich das Schwere dieser unausweichlichen Zerstörung spüre.

Wir sitzen alle im gleichen Boot und wir sind eine grosse Gemeinschaft.

Wie geht es den Menschen, die früher in Blatten wohnten?

Ein Kind meinte neulich zu mir, es hätte Stress im Herzen. Dass es nicht mehr zuhause sein kann, belastet dieses Kind offensichtlich. Ein Gefühl, das auch bei Erwachsenen, mit denen ich spreche, verbreitet ist. Es gibt Menschen, die haben allgemein mit der Situation Mühe. Jetzt kommen auch noch die Festtage. Andere sehen es aktuell auch positiv: Es geht vorwärts, wir versuchen es.

Mich beeindruckt, wenn sich Familien neu orientieren und Blatten hinter sich lassen.

Und wie geht es den Menschen im Lötschental generell?

Diese Katastrophe betrifft nicht nur Blatten, sondern das ganze Tal. Wir sitzen alle im gleichen Boot und wir sind im Lötschental eine grosse Gemeinschaft. Wir hatten diverse Konzerte im Tal von Vereinen aus Blatten, Wiler und Kippel. Im Publikum sassen Leute aus dem ganzen Tal. Die Solidarität ist da. Man trägt einander, so gut es geht.

Was für Schicksale beeindrucken Sie?

Mich beeindruckt, wenn sich Familien neu orientieren und Blatten hinter sich lassen. Wenn sie sagen: Wir müssen schauen, wie die Zukunft wird. Es tut aber gleichzeitig auch weh, etwas Altvertrautes aufzugeben. Dieser Aspekt schmerzt einerseits diese Menschen, aber auch mich persönlich.

So sieht Blatten nach dem ersten Schnee aus

Gibt es auf Weihnachten hin auch positive Anekdoten aus der Bevölkerung?

Es kam eine Person zu mir und erzählte, wie sie die schon verloren geglaubte eigene Weihnachts-Holzkrippe wieder in den Trümmern gefunden habe. Wie durch Zufall – oder eben nicht. Das war für diese Person sehr wichtig und schön.

Ich wünsche mir eine Gemeinschaft und ein Dorfleben.

Auch die Kirche in Blatten ist weg. Sie machen dennoch einen Weihnachtsgottesdienst für die Menschen?

Der Pfarreirat vom Lötschental fand, dass es wichtig sei für dieses Fest ein Gefäss, also einen Gottesdienst, für die Menschen aus Blatten zu haben. Alle anderen Gemeinden haben schliesslich auch einen Gottesdienst. Wir haben darum beschlossen, einen Gottesdienst zu machen, an dem alle Menschen von Blatten teilhaben können.

Nach der Katastrophe gibt es wieder Hoffnung: der Wiederaufbau. Wie steht es allgemein mit der Hoffnung um Blatten?

Die Hoffnung ist wie ein roter Faden. Viele Menschen sehen, dass es eine Zukunft für Blatten gibt. Wir haben eine Basis für den Aufbau und darum auch eine Basis für die Hoffnung.

Was wünschen Sie sich für Blatten?

Ich wünsche mir eine Gemeinschaft und ein Dorfleben. Alle Vereine aus Blatten gibt es noch. Ich wünsche mir, dass dieses schöne Leben von Blatten wieder entstehen kann. Ich wünsche mir, dass eine Gemeinschaft entsteht. Denn es gibt Menschen, die eine Zukunft im Lötschental und in Blatten sehen.

Ohne Blatten wirkt das Lötschental wie «amputiert». Es fehlt etwas Schönes und Wichtiges. Es wird zwar nie mehr gleich sein. Die schönen Gassen werden nicht mehr da sein, aber Ich hoffe, dass es ein «neues» Blatten gibt. Und das würde primär aus Menschen bestehen.

Das Gespräch führte Elena Bernasconi.

Radio SRF 1, 16.12.2025, 17:20 Uhr ; 

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