Ein Kind zu bekommen, ist wunderschön, kann manchmal aber auch überwältigend sein. Plötzlich tauchen Fragen auf: Mache ich das richtig? Reicht das, was ich tue? Wo finde ich die Informationen, die ich brauche?
Diese Fragen stellt sich auch Tala. Sie ist 27 Jahre alt, hat einen zweijährigen Sohn und ist alleinerziehend. «Ich bin zum ersten Mal Mutter. Ich lerne alles mit ihm Schritt für Schritt. Aber ich brauche Unterstützung. Ich möchte wissen, ob ich es gut mache als Mami», sagt Tala.
Zwischen Alleinerziehung, Geldsorgen und Stress
Dafür hat Tala Jamila Karg. Sie ist Familienbegleiterin bei «Parents as Teachers» (PAT) und macht Hausbesuche bei Eltern mit Mehrfachbelastung. Dazu gehören beispielsweise Alleinerziehung, finanzielle Schwierigkeiten, gesundheitliche Probleme, mehrere kleine Kinder oder soziale Isolation.
Solche Situationen erhöhen den Stress im Alltag und machen es Eltern oft schwer, sich bewusst Zeit für ihr Kind zu nehmen.
«Wir möchten Mütter und Väter unterstützen, damit sie ihre Kinder fördern können. Nicht mit Frühchinesisch oder Frühenglisch, sondern durch Spielen, damit das Kind anfängt, Fähigkeiten zu entwickeln», sagt Jamila Karg.
Warum Spielen die beste Förderung ist
Die ersten Jahre im Leben eines Kindes sind entscheidend. Gemäss der Organisation der Vereinten Nationen für Bildung, Wissenschaft und Kultur (Unesco) entstehen gerade in den ersten fünf Lebensjahren etwa 90 Prozent der neuronalen Verknüpfungen im Gehirn. Besonders im Alter zwischen etwa eins und drei Jahren wächst das Gehirn stark.
Spielen ist dabei weit mehr als nur Zeitvertreib. Beim Spiel erkunden Kinder ihre Umwelt, üben Fähigkeiten, erweitern ihre Sprache und trainieren soziale Kompetenzen.
Hausbesuche für 440 Familien
In der Schweiz werden derzeit etwa 440 Familien durch PAT begleitet mit rund 50 Familienbegleiterinnen und -begleitern. Meist entdecken Eltern das Angebot über Mütter- und Väterberatungen, Hebammen, Spitäler oder Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.
Im Fokus stehen Kinder von der Geburt bis zu drei Jahre. Das Programm ist intensiv und langfristig angelegt: Die Familienbegleiterinnen und -begleiter besuchen die Eltern mindestens zwei Jahre lang.
Im Sand spielen statt vor dem Fernseher sitzen
Jamila Karg kennt Tala und ihren Sohn Amr seit eineinhalb Jahren. Sie besucht sie zweimal im Monat. «So sehen wir, wie sich das Kind entwickelt», sagt sie.
Dank der Hausbesuche verstehe ich meinen Sohn besser und kann seine Signale deuten.
Jamila bringt bei jedem Besuch eine neue Spielidee mit. Dieses Mal ist es eine Box und Sand. Sie schüttet den Sand in die Box und versteckt darin Legosteine.
Der zweijährige Amr begreift sofort, worum es geht. Er beginnt zu graben und findet alle Legosteine. Danach schnappt er sich einen Becher und füllt den Sand um. Jamila beurteilt seine Reaktion: «Das Umschütten hat auch etwas mit Mathe zu tun. Er lernt, wie viel Sand im Becher Platz hat.»
Studie zeigt: Frühförderung wirkt
Ein wichtiger Hinweis darauf, wie wirksam Programme wie PAT sind, liefert die Zeppelin-Studie der Interkantonalen Hochschule für Heilpädagogik HfH in Zürich. Die Forschenden begleiten seit Jahren Kinder aus belasteten Familien. Sie vergleichen jene, die ein strukturiertes Elternprogramm erhalten, mit Kindern ohne zusätzliche Unterstützung.
Die Zeppelin-Studie zeigt: Kinder, deren Eltern durch Hausbesuche begleitet und gestärkt werden, starten messbar besser ins Leben.
Sie entwickeln sich sprachlich, kognitiv und sozial stabiler und zeigen beim Eintritt in den Kindergarten häufiger ähnliche Voraussetzungen wie Kinder aus privilegierteren Haushalten.
Überfordert mit der Info-Flut
Tala ist froh um die Unterstützung von Familienbegleiterin Jamila. Dank der Hausbesuche versteht sie ihren Sohn besser und kann seine Signale deuten. «Jamila gibt mir die Sicherheit, dass sich Amr gut entwickelt und dass ich mich gut mit ihm entwickle», sagt sie.
Die Hausbesuche bieten Tala auch die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Momentan geht es um das Thema Trockenwerden. Ab wann braucht mein Kind keine Windeln mehr? Wie können wir Schritt für Schritt auf die Windeln verzichten? Tala schätzt, dass Jamila ihr konkrete Tipps gibt.
Manchmal ist Tala überfordert von der Fülle an Informationen, die man überall findet. «Auf Instagram gibt es unzählige Videos zum selben Thema, aber alle sagen etwas anderes. Das ist zu viel für eine Mutter oder einen Vater», sagt sie. Bei Jamila bekommt sie genau die Informationen, die sie braucht.
Jamila kennt Tala und Amr mittlerweile gut: «Beeindruckend finde ich, wie sehr Tala seit unserem ersten Kontakt gewachsen ist.» Das zeige sich auch in ihrem Umgang mit Amr. Die beiden haben eine innige Beziehung: «Ich merke, dass die Hausbesuche sie immer wieder bestärken, dass sie ihre Aufgabe als Mami gut macht.»