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Musik-Blog Musikstreaming ekelt mich an

Wir schreiben das Jahr 2015 und alle tun es. Alle streamen Musik über Spotify & Co. und nun stellte auch Apple seinen Streamingdienst vor. Musik streamen ist praktisch, es ist günstig, es ist – nein – mehr ist es nicht. Mein Problem: Streame ich Musik wird mir schlecht – und zwar physisch.

Autor: Gregi Sigrist

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Gregi Sigrist ist Musikjournalist der Fachredaktion Musik Pop/Rock von Schweizer Radio und Fernsehen. Im Musik-Blog schaut er auf, unter und hinter aktuelle Musikthemen und ihre Nebengeräusche.

Meine Abneigung zu Streaming-Plattformen hat nichts mit dem Respekt gegenüber den Musikschaffenden zu tun. Es geht mir weder um den Geldfluss noch um die sehr unterschiedlichen Abrechnungsmodelle. Ich verstehe ganz einfach nicht, wieso Streaming-Dienste so attraktiv sind – denn mir wird dabei immer schlecht.

Diese Musik hat nichts mit mir zu tun

Streame ich Musik, fühlt sich das für mich an, als hätte ich keinen eigenen Kleiderschrank. Es ist, als hätte ich bei mir zuhause eine Tür zu allen Kleidergeschäften dieser Erde, in welchen ich mich täglich neu einkleiden könnte.

Der Deal: Am Abend wandert meine Garderobe wieder durch diese komische Tür zurück in den grossen Kleiderladen. Klar kann ich so zwar jeden Morgen genau das anziehen was ich will – doch ich werde nie ein Kleidungsstück tragen, welches mir besonders viel bedeutet. Selbst, wenn ich immer mal wieder dieselbe Jeans oder dasselbe Shirt anziehe, fühlt es sich nie nach meinem Shirt an.

Nie wird etwas nach mir riechen. Nie wird mich jemand fragen, woher ich dies oder jenes habe. Nie werde ich meinen ganz eigenen Stil entwickeln können und meine Identität finden, weil in diesem Kleiderladen immer alles so ausgestellt wird, wie es der Laden ausstellen möchte und nie so, wie ich meinen Kleiderschrank einräumen würde.

Ausserdem kennen die mich da mit der Zeit und machen mir auf mich zugeschnittene Vorschläge, was ich heute anziehen könnte. Diese Vorschläge passen mir vielleicht sogar. Jedoch verhindern sie mir jeglichen Zugang zu Sachen, die ich vielleicht auch mögen könnte, jedoch nicht zu meinem Profil passen.

Geiz und Gier riecht nach Galle

Hinzu kommt, dass Streaming-Dienste stets mit Transparenten ausgerüstet sind, welche mir weismachen wollen, dass ich hier für fast nichts ganz viel kriege. Das ist so ekelerregend, wie All You-Can-Eat-Beizen. Mir vergeht der Appetit augenblicklich in solchen Fresstempeln, in welchen die Gäste dreimal so viel auf die Teller packen, wie sie essen können und diese Ladung im schlimmsten Fall dann auch tatsächlich verzehren.

Bei solchen auf Geiz und Gier ausgerichteten Szenen ergreife ich jeweils schlagartig die Flucht. Dies ist einer der Gründe, warum ich es auf Streaming-Plattformen kaum einen Song lang aushalte.

Ich bin gerne von gestern

Leute, die für Musik richtig viel Geld ausgeben sind komplett bescheuert, könnte man meinen. Denn: Stellt euch zwei nebeneinanderstehende und komplett identische Restaurants vor. Beim einen kostet das Menu 25 Franken. Beim anderen bezahlt man einen monatlichen Beitrag von 10 Franken und kann sich mit dieser Mitgliedschaft jederzeit darin sattessen. Wer würde sich für das 25 Franken-Restaurant entscheiden?

Ich zum Beispiel. Ich bezahle sehr gerne dafür, mich für etwas entscheiden zu müssen. Ich bezahle also irgendwie auch für ein Lebensgefühl. Mir macht es Freude für ein gutes Album, physisch oder digital, Geld auszugeben. Das Produkt, das ich dafür kriege, unterscheidet sich zwar kaum oder gar nicht vom Produkt, welches ich auch fast oder ganz gratis haben kann.

Der Weg zum Produkt ist aber ein komplett anderer und es ist mir bis heute ein Rätsel, wie einem dieser Weg egal sein kann. Ja, vielleicht bin ich von gestern – aber in diesem Fall bin ich das sogar richtig gern.

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