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Heikle Sicherheitseinsätze: Straftäter in der Protectas-Uniform
Aus Kassensturz vom 14.04.2015.
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Arbeit Protectas setzt bewaffnete Straftäter für Sicherheitsdienst ein

Ihre Mitarbeiter sorgen an Veranstaltungen für Ruhe und Ordnung und übernehmen in immer mehr Gemeinden auch den Sicherheitsdienst. Doch nun gerät Protectas in die Kritik. «Kassensturz»-Recherchen zeigen: Das Unternehmen lässt auch Vorbestrafte arbeiten und rüstet sie mit Schusswaffen aus.

Mit Pfefferspray und Handschellen ausgerüstet, leisten Protectas-Mitarbeiter Sicherheitsdienst. In ihren schwarzen Uniformen sollen sie für Ruhe und Ordnung sorgen. Doch unter dem Personal des zweitgrössten privaten Sicherheitsunternehmens hat es Straftäter. Das zeigen Recherchen der Sendung «Kassensturz».

In Bern übernimmt Protectas Einsätze in mehreren Botschaften. «Kassensturz» deckt auf, dass Protectas Bewaffnete ohne Waffentragschein in den Botschaften einsetzt. Besonders heikel: Protectas rüstet einen Vorbestraften mit einer Schusswaffe aus, um Botschaften zu bewachen.

Bewaffneter Dienst ohne Waffentragschein

«Kassensturz» hat mit mehreren ehemaligen und aktuellen Mitarbeitern geredet. Sie alle wissen um die Tatsache und bestätigen, dass es auch den Vorgesetzten bekannt sein musste. Auch bei der Gewerkschaft ist man seit kurzem über diese Geschäftspraktiken der Protectas informiert. Die Firma beschäftigt in der Schweiz rund 3000 Mitarbeiter und erzielt einen Umsatz von 150 Millionen Franken.

Einer der bewaffneten Sicherheitskräfte ist A. B. (Name geändert). Oft stand er mit einer Schusswaffe bestückt auf den Botschaftsgeländen von Saudi-Arabien, Kuwait oder Libyen. A. B. macht dies allerdings immer auch mit einem schlechten Gefühl, denn das Waffentragen wurde ihm durch den Schweizer Staat verboten.

Dem Vorgesetzten von A. B. war bekannt, dass der Angestellte nicht befugt ist, eine Waffe zu tragen. Angestellt war er vom Protectas-Subunternehmen Safe Power GmbH. «Kassensturz» hat auch mit einem weiteren Mitarbeiter geredet, der ohne Waffentragschein auf der Botschaft eine Waffe tragen musste.

Auf dem Grundstück der jeweiligen Botschaft gilt nicht Schweizer Recht. Solange sich das Personal auf deren Boden bewegt, kann es in der Schweiz juristisch nicht belangt werden. A. B. musste die Waffe jedoch auch bei sich zu Hause lagern und zum Arbeiten auf die Botschaft mitbringen. «Ich habe mich nicht wohlgefühlt. Vor allem als wir die Waffe transportieren mussten. Was geschieht, wenn einen die Polizei erwischt?»

Keine Reaktion der Botschaften

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Regelmässig leisteten die Mitarbeiter des Sub-Unternehmens für Protectas bewaffneten Botschaftsschutz. Sie waren für die Sicherheit von Kuwait, Libyen und Saudi-Arabien mitverantwortlich. Die Botschaften reagieten nicht auf Anfragen von «Kassensturz».

Zwischenzeitlich hat Protectas die Waffen auf den jeweiligen Botschaften gelagert und die Mitarbeiter müssen sie nicht mehr in der Öffentlichkeit transportieren.

SVP-Nationalrätin: «Das kann man so nicht laufen lassen»

Andrea Geissbühler ist ehemalige Polizistin und heute als Nationalrätin in der Sicherheitspolitischen Kommission. Die SVP-Politikerin zeigt sich erschrocken über die vorgelegte Tatsache: «Ich finde das grundsätzlich katastrophal. Gerade in einem solch heiklen Bereich wie der Sicherheit», sagt Andrea Geissbühler im «Kassensturz».

Die Bewaffnung solcher Personen sei eine Gefahr für die ganze Umgebung. «Das kann man so sicher nicht einfach laufenlassen.» Sie will das Thema der privaten Dienstleister in der Kommission ein weiteres Mal aufnehmen.

Vorbestrafter im Gemeindedienst

Damit nicht genug: Protectas setzt diese Mitarbeiter auch im öffentlichen Sicherheitsdienst ein. In der Stadt Thun hat A. B. Spielplätze und öffentliche Gebäude bewacht und Leute im Ausgang zu Ruhe und Ordnung ermahnt. Er, der im Strafregister eingetragen ist.

«Ich habe unter anderem Einträge wegen Freiheitsberaubung und Entführung», gesteht der Mann im «Kassensturz». Deshalb habe er sich auch immer zurückgezogen, wenn die richtige Polizei am selben Ort war wie er. «Ich wollte tunlichst vermeiden, dass ich mich ausweisen musste.»

Die Stadt Thun, Auftraggeberin der Protectas, ist «wenig erfreut» über die Tatsachen, die «Kassensturz» präsentiert. Gemeinderat und Vorsteher der Sicherheitsdirektion, Peter Siegenthaler, akzekptiert eine solche Geschäftspraxis nicht. Dass unwissentlich ein Subunternehmen die Dienste von Protectas erledigt, findet er stossend.

Thun will keine Subunternehmer von Protectas mehr

«Wir sind hier in einem ganz heiklen Bereich. Und wenn sich in diesem Markt Leute herumtummeln mit doch happigen Einträgen in den Strafregistern, dann entspricht dies nicht unseren Vorstellungen», sagt Gemeinderat Siegenthaler.

Peter Siegenthaler hat die Führungsriege des privaten Sicherheitsunternehmens für diese Woche zu Gesprächen zitiert. Ab sofort, so sei es ihnen von Protectas versprochen worden, werden in Thun auch keine Mitarbeiter von Sub-Unternehmen mehr eingesetzt. Diese Massnahme bestätigt Protectas auch «Kassensturz».

Protectas nimmt via Medienmitteilung Stellung

Protectas hat statt auf die Fragen von «Kassensturz» einzugehen mit einer Medienmitteilung auf die Vorwürfe reagiert. Das Unternehmen will einen einzelnen Mitarbeiter für das Ganze verantwortlich machen und weist die von ihm erhobenen Vorwürfe zurück:

  • Der bewaffnete Einsatz in den Botschaften sei nicht illegal, betont Protectas. Dennoch habe Protectas verfügt, dass «alle Mitarbeitenden in der Schweiz, die Waffen tragen, über einen Schweizerischen Waffentragschein verfügen müssen – egal wo sie eingesetzt werden.»
  • Zum Vorwurf, Protectas beschäftige kriminelle Mitarbeiter, schreibt das Unternehmen, alle zwei Jahre würden die Mitarbeiter hinsichtlich Strafregisterauszügen und Betreibungen überprüft. Man beschäftige keine Mitarbeiter, die aktuell in ein Strafverfahren verwickelt seien. Man gebe jedoch Mitarbeitenden eine Chance, die einen Eintrag im Strafregister haben, der in keiner Weise die Arbeit beeinträchtige. Warum es zur Anstellung des vorbestraften A.B. kam, dazu nimmt Protectas aber keine Stellung.
  • Protectas verpflichte auch ihre Subunternehmen dazu, sich an Bedingungen des GAV für die Sicherheitsbranche zu halten. Ausserdem werde nur im Rahmen von drei Prozent des gesamten Umsatzes mit Subunternehmen zusammengearbeitet.

Auf Anfrage von «Kassensturz» gibt der Chef vom Subunternehmen Safe Power, Peter Bieri, keine inhaltliche Antworten auf die Vorwürfe. Bei ihm war A.B. angestellt. Allgemein hält er fest, dass die gestellten Fragen Bezug auf ein arbeitsrechtliches Verfahren nehmen würden. «Wir möchten hier auch aus Rücksicht auf unseren ehemaligen Mitarbeitenden und seine berufliche Zukunft keine weiteren Aussagen machen.»

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