Das Medikament Lecanemab (Leqembi) gilt als Hoffnungsträger für Alzheimer-Erkrankte: Der Antikörper zielt auf die für Alzheimer typischen Eiweissablagerungen im Hirn. Die EU-Kommission hat im April 2025 dem Medikament unter strengen Auflagen die Zulassung erteilt. Seit September werden Erkrankte in Österreich und Deutschland damit behandelt.
Doch nun kommt das renommierte deutsche Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zum Schluss, dass ein «Zusatznutzen nicht belegt» sei. Im Fall von «Lecanemab» ist das besonders bedeutungsvoll: Seit Jahren haben Ärzte, Patientinnen und deren Familien auf einen Wirkstoff gehofft, der gezielt in den Krankheitsprozess von Alzheimer eingreift, und «Lecanemab» ist das erste Medikament, das diese Hoffnung zumindest teilweise zu erfüllen scheint.
Für die Monotherapie von ‹Lecanemab› im Vergleich zu den Acetylcholinesterasehemmern liegen keine Daten vor.
«Wir bewerten immer den Vergleich zum derzeitigen Therapiestandard und schauen die gemäss diesem Standard behandelten Personen an», erklärt IQWiG-Expertin Daniela Preuschkat. Der Therapiestandard – das sind ältere Medikamente mit dem sperrigen Namen «Acetylcholinesterasehemmer», die helfen, Alzheimer-Symptome zu lindern.
Preuschkat kritisiert, dass für die Monotherapie von «Lecanemab» im Vergleich zu den Acetylcholinesterasehemmern keine Daten vorlägen. Anders gesagt: Es sei in der Zulassungsstudie des Herstellers nie untersucht worden, ob «Lecanemab» gegenüber Acetylcholinesterasehemmern überlegen sei. Deshalb: kein Beweis für einen Zusatznutzen.
Ist es das also gewesen mit «Lecanemab»? Könnte das Medikament in Deutschland gar vom Markt genommen werden, wie an einer Pressekonferenz spekuliert wurde? Gegen eine solche Möglichkeit wehren sich behandelnde Neurologen vehement. Jörg Schulz, Direktor der Klinik für Neurologie an der Uniklinik Aachen, kritisiert das vom IQWiG angewendete Verfahren scharf.
«Es wäre extrem schade, wenn der Hersteller das Produkt vom deutschen Markt nehmen würde.
Das Verfahren sei akademisch vielleicht korrekt, jedoch weltfremd, betont Schulz. Seine Erfahrung im Alltag sei eine ganz andere. Die Therapie sei in der frühen Phase sehr nützlich, verlangsame das Fortschreiten der Krankheit und werde von den Patienten gut angenommen. «Es wäre schon extrem schade, wenn der Hersteller das Produkt vom deutschen Markt nehmen würde», betont Schulz.
«Hier werden, salopp gesagt, Äpfel mit Birnen verglichen.»
In der Schweiz ist «Lecanemab» noch nicht zugelassen. Das Gesuch der japanischen Herstellerfirma Eisai ist seit zweieinhalb Jahren bei Swissmedic hängig. Doch auch hierzulande verfolgen Fachleute das Geschehen rund um das Antikörper-Präparat genau.
Zu ihnen zählt der Neurologe Bogdan Draganski, Leiter der Memory Klinik am Inselspital Bern. Nach seinen Worten ist es unsinnig, «Lecanemab» an einer herkömmlichen Alzheimer-Therapie wie den Cholinesterasehemmern zu messen.
«Hier werden salopp gesagt Äpfel mit Birnen verglichen» so Draganski. Cholinesterasehemmer seien zwar bewährte Mittel und würden Patienten mit kognitiven Einschränkungen punktuell helfen, den Alltag zu bewältigen. Aber sie hätten keinerlei Auswirkungen auf den Verlauf der Erkrankung. «Lecanemab» dagegen verlangsame den Verfall kognitiver Fähigkeiten nachweislich über drei bis vier Jahre hinweg: «Das ist erstaunlich und bedeutet Lebensqualität», sagt Draganski und verweist auf Langzeitdaten vor allem aus den USA, wo das Medikament seit 2023 zugelassen ist.