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Bild 1 von 10. Archäologie mit Satellitenbildern:. Mit speziellen Satellitenbildern kann Michael Frachetti sehen, wo besonders grüne Weiden liegen, denn saftige Vegetation mit hohen Chlorophyll-Werten reflektiert anders als trockener Boden in kargen Regionen. Er schätzt, dass die Schäfer den saftigsten Weiden folgten. Bildquelle: Michael Frachetti.
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Bild 2 von 10. Dauerhafte Verkehrsverbindungen:. Wie der Weg der Schäfer ausgesehen haben mochte, analysierte Frachetti mit virtuellen Schafherden. Das Ergebnis: Auf den Trampelpfaden der Herden könnten sich die Handelswege der Seidenstrasse entwickelt haben. Bildquelle: Michael Frachetti, SAIE laborytory.
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Bild 3 von 10. Tasch Rabat – die «steinerne Herberge»:. Das Steingebäude auf der alten Seidenstrasse in Kirgisistan diente einst als Karawanserei – eine Herberge an Karawanenstrassen, wo die Reisenden übernachten und sich mit Lebensmitteln versorgen konnten. Heute ist Tasch Rabat ein beliebter Touristenort. Bildquelle: Imago.
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Bild 4 von 10. Satellitenbilder statt Ausgrabungen:. Das Bild zeigt eine Festung (gelb) der Garamanten mit umliegenden Feldern und Brunnen (grün) und einen Friedhof (pink). Bildquelle: Trans-Sahara-Project.
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Bild 5 von 10. Ruinen einer Garamanten-Festung:. Heute ist bewiesen, dass das antike Berbervolk der Garamanten den frühen Trans-Sahara-Handel zwischen der Mittelmeerküste Libyens und dem Tschadsees beherrscht hatte. Lange wurde gedacht, der Handel hätte erst mit der Islamisierung um 700 nach Christus begonnen, doch die Garamanten waren schon um 1000 vor Christus in der Region. Bildquelle: Trans-Sahara-Project.
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Bild 6 von 10. Google Earth gab Aufschluss:. David Mattingly analysierte hochaufgelöste Satellitenbilder und fand Umrisse und Ruinen von Dörfern, Städten, Befestigungen und Bewässerungssystemen der Garamanten, die sich im Sand abzeichneten. Bildquelle: Trans-Sahara-Project.
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Bild 7 von 10. Spuren alter Siedlungen (rot):. Im Nordosten Syriens sucht Jason Ur mittels Satellitenbildern nach Spuren alter Siedlungen. Er achtet dabei auf sogenannte Anthrosole – Bodenmerkmale, die durch den Einfluss des Menschen entstanden sind, zum Beispiel durch verfallene Siedlungen oder organische Abfälle. Oft zeigen sie sich durch spezielle Erhebungen. Bildquelle: Jason Ur.
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Bild 8 von 10. Alte Spionagesatelliten im Einsatz für die Wissenschaft:. Oft können diese Bodenmerkmale nicht erkannt werden, weil später entstandene Siedlungen oder Felder darüber liegen. Deshalb benutzt Ur alte Satellitenbilder des Corona-Programms aus den 1960er- und 70er-Jahren. Darauf sind die untersuchten Regionen noch unverbaut und ohne Felder zu sehen. Bildquelle: Jason Ur.
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Bild 9 von 10. 14'000 Punkte:. An all diesen Stellen könnten sich aufgrund der Satellitendaten archäologische Stätten befinden. Doch wie wahrscheinlich ist es, dass sich an den Punkten tatsächlich Siedlungen befinden? Bildquelle: Jason Ur.
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Bild 10 von 10. Der Computer ist schneller:. Die alte mesopotamische Siedlung Tell Brak ist eine der am besten erkundeten archäologischen Grabungsstätten. Der Computer zeigte auf der Basis von Satellitenbildern nach nur zwölf Stunden alle Stätten an, die die Forscher in den letzten Jahrzehnten in mühevoller Arbeit gefunden hatten. Bildquelle: Jason Ur.
Von kleinen Brötchen hält Michael Frachetti nichts. Der Archäologe an der University of Washington in St.Louis will nicht mehr und nicht weniger wissen als: «Wo verlief die Seidenstrasse? Wie entstand sie überhaupt?».
Noch vor 20 Jahren hätten Archäologen von solchen Fragestellungen nicht einmal geträumt. Die Seidenstrasse – ein Netzwerk von Handelsrouten, die das Mittelmeer mit Ostasien verbinden – misst Tausende Kilometer. Doch Satelliten und deren immer sensiblere Instrumente ermöglichen nun Analysen von historischen Prozessen über weite geografische Räume.
Immer den saftigsten Weiden nach
Michael Frachetti ist ein Spezialist für zentralasisatische nomadische Hirten der Bronzezeit. Er glaubt: «Die Pfade der Seidenstrasse waren das Resultat des Alltagslebens der Nomaden über Jahrzehnte, ja Jahrhunderte.» Der Alltag von Hirten bestand darin, ihre Schafe zu den saftigsten Weiden zu lotsen. «Wenn man mit den Schafen so durchs Land zieht – immer dorthin, wo das beste Gras wächst – dann entwickeln sich bald ausgeprägte Trampelpfade.» Trampelpfade also, die sich schliesslich zur Seidenstrasse auswuchsen. Soweit seine Theorie.
Der Archäologe testete seine Vorstellungen mit einer Computersimulation. Dazu verwendete er als Basis multispektrale Satellitenbilder. Unterschiede in den Farb- und Hell-Dunkel-Werten ergeben sich aus der unterschiedlichen Lichtreflexion von Weiden unterschiedlicher Qualität. Und dann schickte er – virtuell natürlich – Schafe und Hirten los, wobei die zurückgelegten Kilometer pro Jahr sowie die Ausgangspunkte variierten.
Die hypothetischen Wanderungen der Schafe ergaben eine Fülle von Linien. Manchmal liefen sie auf einem Punkt zusammen. Und an einem solchen virtuellen Knotenpunkt sitzt in der realen Welt tatsächlich eine Touristenattraktion der Seidenstrasse: die kirgisische Karawanserei Tasch Rabat. Da bekam Michael Frachetti schon ein bisschen Gänsehaut. Denn das bedeutet: An seinem Modell könnte doch glatt etwas dran sein.
Barbaren in der Wüste
David Mattinglys Trans-Sahara-Projekt ist mindestens so ehrgeizig. Der britische Archäologe an der University of Leicester erforscht die Kultur der Garamanten im libyschen Teil der Sahara. «In griechischen und römischen Texten werden die Garamanten als barbarische Nomaden bezeichnet«, erzählt er, »dieses Vorurteil hielt sich bis ins 21.Jahrhundert.»
Die herrschende Lehrmeinung besagte lange Zeit, dass vor der Ausbreitung des Islams etwa 700 nach Christus in der Sahara keine Handelsrouten und gewiss keine nennenswerte Zivilisation existierten. Doch die Forschungsergebnisse von David Mattingly sagen etwas anderes. Er analysierte hochaufgelöste Satellitenbilder von Google Earth. Und siehe da: Unter dem Sand zeichneten sich Umrisse und Ruinen von Dörfern, Städten, Befestigungen und Bewässerungssystemen ab, die belegten, dass Handel und Ackerbau in der Sahara erstaunliche eintausend Jahre früher begannen als angenommen.
«Wir müssen die historischen Daten radikal revidieren», erklärt der Forscher. Diese Einsichten wären ohne die Bilder aus dem All nicht möglich gewesen. Leider wird es David Mattingly nun eine Weile bei der Fernerkundung bewenden lassen müssen. Denn seit 2011 die Unruhen begannen, ist ein Aufenthalt in Libyen schlicht zu gefährlich.
Ein grossflächiger Blick auf die Wiege der Zivilisation
In der gleichen Lage befindet sich Jason Ur, Harvard-Archäologe und Experte für Mesopotamien. Diese sprichwörtliche Wiege der Zivilisation erstreckte sich unter anderem über das heutige Syrien sowie über Teile des Irak, wo die Terrorgruppe ISIS erst kürzlich mesopotamische Schätze zertrümmerte.
Jason Ur sucht nach subtilen Spuren vergangener Besiedlungen. Doch Industrialisierung, Landwirtschaft oder auch Dammbau löschten vieles über die letzten Jahrzehnte aus. Deswegen kombiniert er für seine Datenauswertung die Aufnahmen mehrerer Satelliten. Als wahre Fundgrube erwiesen sich die Bilder alter US-Spionagesatelliten des ehemaligen Corona-Programms, die mittlerweile freigegeben wurden. «Ein Blick auf diese Bilder ist so, als fahre man mit einer Zeitmaschine in die Vergangenheit», begeistert sich Jason Ur. Auf den Corona-Bildern aus den 1960er- und 1970er-Jahren sind etwa vielversprechende Erdhügel nach wie vor identifizierbar.
Einzigartige Einsichten lieferten ihm auch Daten von ASTER, einem Sensor auf dem NASA-Erdbeobachtungssatelliten Terra, der Bilder auch im für Menschen nicht sichtbaren Infrarotbereich aufnimmt. Jason Ur analysierte Reflexionscharakteristiken von archäologischen Stätten und liess dann ein Computerprogramm in einer Region nach solchen Merkmalen suchen. Fazit: Rund 14'000 potenzielle archäologische Stätten über ein Gebiet von 23'000 Quadratkilometern.
Die Ausbeute ist zwar gross, doch, so der Archäologe, man dürfe sich nie zu früh freuen. Denn eines schafft man mit Fernerkundung nach wie vor nicht: Das Alter einer Stätte zu bestimmen. Da bleibt also nichts übrig, als sich den Spaten zu greifen, zu graben, Proben zu nehmen und zu datieren.