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Natur & Tiere 35-Grad-Sommer – in der Schweiz künftig vielleicht ganz normal

Das Klima erwärmt sich zunehmend – und der Mensch ist grösstenteils dafür verantwortlich, daran hegt kaum ein Wissenschaftler mehr Zweifel. Nun zeigt eine Schweizer Studie: Fast drei Viertel aller extremen Hitzetage sind menschengemacht, und etwa ein Fünftel aller extrem starken Niederschläge.

Um 0,8 Grad ist die Durchschnittstemperatur der Erde seit Beginn der Industrialisierung angestiegen. Das klingt nach wenig. Aber es sei auch nicht die steigende Durchschnittstemperatur, die die Risiken des Klimawandels ausmache, sagt Reto Knutti von der ETH Zürich, Mitautor der Studie im Fachjournal «Nature Climate Change». Kritisch sei vielmehr die Zunahme extremer Ereignisse wie sintflutartige Regenfälle oder Hitzetage über 35 Grad: «Diese Ereignisse haben die grössten Auswirkungen, sie kosten am meisten Geld – und möglicherweise auch Leben», sagt Knutti.

Zum Beispiel die über 20'000 Hitzetoten in grossen Teilen Europas während des Jahrhundertsommers von 2003. Oder die Millionenschäden nach Überschwemmungen wie letzten Sommer im Emmental und der Ostschweiz.

Der Klimatologe Jochem Marotzke vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie lobt die Studie – sie sei gut gemacht und wichtig: «Die Anzahl der Extrem-Ereignisse, die bereits vom Menschen verursacht sind, ist bemerkenswert.»

Ein Blick in die Zukunft

Die Forscher um Reto Knutti haben im Computer das Klima mit Blick auf solche Extremereignisse simuliert. Sie kommen zum Schluss, dass heute 75 Prozent aller extremen Hitzetage und etwa 20 Prozent der Starkniederschläge vom Mensch verursacht sind.

In einem weiteren Teil der Studie haben sie in die Zukunft geschaut und berechnet, um wie viel die Extremereignisse zunehmen werden, wenn die Durchschnittstemperatur der Erde weiter steigt. Das Ergebnis beunruhigt, denn die Häufigkeiten nehmen nicht linear mit der Temperatur zu, sondern stärker: «Ein halbes Grad heute ist vielleicht noch akzeptabel, aber ein halbes Grad in einer deutlich wärmeren Welt führt dann zu einer weit grösseren Änderung von Extremereignissen», erklärt Reto Knutti.

Verdoppelt sich also die Zunahme der globalen Temperatur von den heutigen 0,8 auf künftig 1,5 Grad, so verdoppelt sich die die Zahl der extremen Hitzetage in einem Sommer nicht etwa – sie verzehnfacht sich. Steigt die Temperatur um 2 Grad, so wird es sogar 20 mal mehr Hitzetage geben. Auch die Zahl an extremen Niederschlägen stiege dann deutlich.

50 mal häufiger Hitzetage

Plus 2 Grad – das ist die maximale Erwärmung, die die Staatengemeinschaft zulassen will. So hat sie es am Uno-Klimagipfel von 2009 in Kopenhagen beschlossen, und ein neuer Weltklimavertrag soll das Klimaziel Ende des Jahres in Paris bekräftigen. Doch manche Länder, die von der Erd-Erwärmung besonders betroffen sind, fordern kein 2-Grad-Ziel, sondern ein 1,5-Grad-Ziel.

Reto Knuttis aktuelle Studie liefert ihnen gute Argumente. Doch vom 1,5-Grad-Ziel sind wir weit entfernt, weil die Länder bisher nicht bereit sind, ihren Ausstoss von Treibhausgasen genügend zu drosseln. Im Gegenteil.

Mit den Reduktions-Angeboten, die bisher für den neuen Klimavertrag auf dem Tisch liegen, steuert die Welt sogar auf eine Erwärmung von mindestens 3 Grad hin. In diesem Fall würde die Zahl der Hitzetage laut Knuttis Berechnungen sogar um das 50-Fache steigen. «Der Sommer 2003 wäre dann ein mehr oder weniger normaler Sommer», erklärt der Professor für Klimaphysik. Fast jeder Tag im Sommer wäre dann ein Hitzetag mit mindestens 35 Grad – in der Schweiz.

Der Verhandlungsprozess für den neuen Weltklimavertrag sieht vor, dass die Länder ihre Reduktions-Ziele für Treibhausgase bis zur Konferenz Ende Jahr in Paris noch verschärfen können. Angesichts dieser neuen Studie eine bedenkenswerte Idee.

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