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Natur & Tiere Pflanzenschutz mit Suchtgefahr: Neonicotinoide ziehen Bienen an

Die genauen Ursachen für das Bienensterben sind weitgehend unklar – doch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln scheint eine wichtige Rolle zu spielen. Zwei aktuelle Studien untermauern diese Annahme.

Bienen können Neonicotinoide nicht nur erkennen. Sie lieben sie und steuern Pflanzen, die mit diesen Insektiziden behandelt wurden, bevorzugt an, schreiben Forscher aus Grossbritannien im Fachblatt «Nature».

Die Wissenschaftler der Newcastle University lockten Hummeln und Honigbienen mit einer reinen Zuckerlösung und einer mit Neonicotinoinden versetzten Lösung als künstlichem Nektar an. Die Wirkstoff-Konzentration war dabei so hoch wie jene, die im Freiland in Nektar und Pollen zu finden ist.

Insektizide wirken wie Drogen

Zur Überraschung der Forscher mieden die Bienen die Insektizide nicht. Im Gegenteil: Zwei der drei eingesetzten Neonicotinoide waren besonders attraktiv für die Insekten. Sie naschten davon lieber als von der puren Zuckerlösung. In einer ergänzenden Analyse zeigte sich, dass es nicht der Geschmack der Neonicotinoide war, der die Bienen anlockte.

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Bienensterben: Sind Insekten-Gifte schuld?
Aus Tagesschau vom 07.02.2013.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 33 Sekunden.

Die Forscher gehen davon aus, dass die Bevorzugung eine andere Ursache hat: «Neonicotinoide steuern im Nervensystem von Bienen die gleichen Mechanismen an wie Nikotin im Gehirn von Menschen», erläutert die Leiterin der Studie, Geraldine Wright. «Die Tatsache, dass die Bienen eine Vorliebe für Neonicotinoid-belastete Nahrung haben, ist besorgniserregend, weil es vermuten lässt, dass die Neonicotinoide ähnlich wie Nikotin als Droge wirken und solche Nahrung besonders belohnend wirkt.»

Angesichts der mutmasslichen Gefährdung der Bienenpopulationen durch die Pflanzenschutzmittel folgern die Forscher, dass es nicht ausreicht, um Felder herum einen Streifen mit Futteralternativen für die Tiere zu pflanzen. Die Einschränkung der Neonicotinoid-Verwendung sei womöglich der einzige Weg, den Rückgang der Bestäuber-Populationen aufzuhalten.

Gefährdungspotenzial noch unklar

In der Vergangenheit hatten mehrere Studien Hinweise darauf geliefert, dass die Mittel die Bienen beeinträchtigen, zum Beispiel, indem sie ihr Lernvermögen und ihre Orientierungsfähigkeit stören. Neonicotinoide könnten damit auch zum gegenwärtig beobachteten Bienensterben beitragen, fürchten Experten.

Neonicotinoide

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Es handelt sich um synthetisch hergestellte Wirkstoffe, die zur Bekämpfung von Pflanzenschädlingen eingesetzt werden. Wird das Saatgut damit behandelt, verteilen sich die Mittel beim Wachstum auf die gesamte Pflanze, sind also später auch im Pollen und Nektar zu finden.

Aufgrund dieser Befürchtungen trat am 1. Dezember 2013 ein EU-weites Moratorium für die drei verbreitetsten Neonicotinoide in Kraft. Die Anwendung von Imidacloprid, Thiamethoxam und Clothianidin wurde bis Ende 2015 stark eingeschränkt. In weiteren wissenschaftlichen Studien wird derweil ihr Gefährdungspotenzial genauer geprüft.

Kritiker des Moratoriums führten unter anderem an, dass in Laborstudien zu hohe Konzentrationen der Neonicotinoide eingesetzt wurden und dass die Bienen im Freiland vermutlich auf andere Pflanzen auswichen. Die britischen Forscher zeigten nun in ihrem Versuch, dass auf Bienen gerade die im Feld angewendeten Dosen anziehend wirken.

Gefährdung der Bienen im Freiland

Auch eine Studie der Lund University in Schweden bestätigt, dass die Populationen von Hummeln und Wildbienen durch Pflanzenschutzmittel gefährdet sind. Die Tiere wuchsen und vermehrten sich auf Rapsfeldern mit Neonicotinoid-haltigem Insektizid schlechter als auf unbelasteten Feldern.

Honigbienen-Kolonien gediehen hingegen an den belasteten Feldern genauso gut wie an den unbelasteten. Möglicherweise könnten sie die toxische Substanz besser entgiften, schreiben die Wissenschaftler. Über mögliche Langzeitfolgen sage das jedoch nichts aus. Bei der Beurteilung der Neonicotinoide sollten nicht nur Honigbienen als Modellorganismen eingesetzt werden, da sie möglicherweise anders reagieren als andere Bienen.

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