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Technik Benzinmotoren: «Der Kaltstart muss sauber werden»

Moderne Benzinmotoren stossen ausser CO2 fast keine Schadstoffe mehr aus. Aber sie haben eine schlechte Feinstaub-Bilanz. Der Grund: der Kaltstart, bei dem so viel Abgase in die Luft geblasen werden wie sonst bei einer 1000-Kilometer-Fahrt. Forscher wollen den Kaltstart nun vorwärmen.

Benzinmotoren sind eine alte Technik. Seit über hundert Jahren arbeiten Ingenieure an immer besseren und effizienteren Modellen. Sie haben schon viel erreicht – gerade bei der Abgasbehandlung. Dank Katalysatoren stossen moderne Benziner heute – ausser CO2 – fast keine Schadstoffe mehr aus, zumindest im normalen Betrieb, sagt Christian Bach vom Forschungsinstitut Empa in Dübendorf: «Ausser man beschleunigt sehr stark, fährt lange den Berg hoch oder mit hoher Geschwindigkeit auf der Autobahn, haben wir grosse Mühe, überhaupt noch Kohlenwasserstoffe und Kohlenmonoxid im Auspuff zu messen».

Der Start ist die Knacknuss

Ein Problem aber haben die Ingenieure noch nicht in den Griff bekommen: den Start. Und genau das ist der Grund für die schlechte Feinstaub-Bilanz von Benzinmotoren, denn sie starten aus dem kalten Zustand und stossen dabei extrem viele Schadstoffe aus. Zwar sind sie so konstruiert, dass sie sich rasch aufheizen, doch das kann immer noch einige Minuten dauern.

Forscher Bach sagt, der Kaltstart am Morgen entspreche gar 1000 Kilometern Autobahnfahrt. Ein extremes Missverhältnis. «Das Problem ist, dass ein Teil des eingespritzten Benzins an den kalten Saugrohren im Motor kondensiert», sagt der Experte, «man muss also mehr reinspritzen als man eigentlich braucht. Und zum anderen ist der Katalysator noch nicht auf Betriebstemperatur».

Das Problem mit dem Kaltstart ist also nicht nur der kalte Motor, sondern auch der kalte Katalysator. «Wenn der Katalysator kalt ist, ist er nicht aktiv. Er braucht aber eine bestimmte Temperatur, damit er die Abgase neutralisiert, also praktisch entfernt», bestätigt Josef Dommen vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen. Er hat gemeinsam mit Kolleginnen von der Universität Bern untersucht, wie die Abgase eines modernen Benzinmotors Lungenzellen schädigen.

Partikelfilter bringen nichts

Die Abgase, die er untersucht hat, sind bestimmte Kohlenwasserstoffe. Lässt der kalte Katalysator sie ungehindert passieren, können sie sich zu sekundärem Feinstaub umwandeln, sagt Josef Dommen. Weil diese Umwandlung erst in der Luft geschieht, kann man den sekundären Feinstaub mit einem Partikelfilter am Auto nicht verhindern. Auch die neue Abgasnorm Euro-6, die in der Schweiz ab 2017 greift, wird da nichts ausrichten. Sie schreibt zwar eine Obergrenze für die Zahl von Feinstaubpartikeln vor, die ein Benziner direkt abgeben darf. Doch bei den Kohlenwasserstoff-Gasen verschärft sie die Vorschriften nicht.

Wie bekommt man den Katalysator warm?

Was helfen würde, wäre, diese Gase erst gar nicht in die Luft hinaus zu lassen – nur dafür müsste der Katalysator schon bei der Zündung gut arbeiten. Christian Bach und sein Team an der Empa haben verschiedene Ideen, wie das gelingen könnte. Man könnte den Motor zum Beispiel so gut gegen aussen isolieren, dass er lange warm bleibt, auch wenn das Auto herumsteht – nicht gerade die ganze Nacht, aber für 3-5 Stunden könnte das funktionieren.

Eine andere Möglichkeit wäre, den Katalysator vorzuheizen, erklärt Bach: «Wir stellen uns das so vor, dass man zum Beispiel mit dem Öffnen der Fahrertüre automatisch die Aufheizphase des kalten Katalysators beginnt».

Türe auf, Heizung an. Und zwar muss das eine elektrische Heizung sein, da der Motor dann noch nicht läuft und keine Wärme liefern kann. Man könnte den Katalysator zum Beispiel mit Mikrowellen heizen, kontaktlos. An der Empa wurde dazu gerade ein Forschungsprojekt gestartet.

Es muss etwas geschehen

Auch andere Forschergruppen arbeiten an dem Problem, oft in Kooperation mit der Autobranche. Es fliesst derzeit viel Zeit und Geld in dieses Forschungsgebiet. Allen ist klar, dass beim Kaltstart etwas geschehen muss.

Christian Bach rechnet damit, dass der Kaltstart bald deutlich sauberer ablaufen wird. Dann könnte man auch die Abgasnormen entsprechend verschärfen. Diskussionen dazu sind in den Gremien der Euro-Abgasgesetzgeber schon im Gang. An der über hundert Jahre alten Technik des Benzinmotors wird also weiter herumgebastelt.

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